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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Trauung, wobei er mit starken Worten im Besonderen zur
Mäßigkeit
ermahnte. Alles verlief nach Ordnung und Brauch. Tony brachte ein naives und gutmütiges »Ja« heraus, während Herr Grünlich zuvor »Hä-ä-hm!« sagte, um seine Kehle zu reinigen. Dann ward ganz außerordentlich gut und viel gegessen.
    … Während droben im Saale die Gäste, mit dem Pastor in ihrer Mitte, zu speisen fortfuhren, geleiteten der Konsul und seine Gattin das junge Paar, das sich reisefertig gemacht hatte, in die weißnebelige Schneeluft hinaus. Der große Reisewagen hielt, mit Koffern und Taschen bepackt, vor der Hausthür.
    Nachdem Tony mehrere Male die Überzeugung ausgesprochen hatte, daß sie sehr bald zu Besuch nach Hause kommen und daß auch der Besuch der Eltern in Hamburg nicht lange auf sich warten lassen werde, stieg sie guten Mutes in die Kutsche und ließ sich von der Konsulin sorgfältig in die warme Pelzdecke hüllen. Auch ihr Gatte nahm Platz.
    »Und … Grünlich«, sagte der Konsul, »die neuen Spitzen liegen in der kleineren Handtasche zuoberst. Sie nehmen sie vor Hamburg ein bißchen unter den Paletot, wie? Diese Accise … man muß das nach Möglichkeit umgehen. Leben Sie wohl! Leb' wohl, noch einmal, meine liebe Tony! Gott sei mit dir!«
    »Sie werden doch in Arensburg gute Unterkunft finden?« fragte die Konsulin …
    »Bestellt, teuerste Mama, alles bestellt!« antwortete Herr Grünlich.
    Anton, Line, Trine, Sophie verabschiedeten sich von »Ma'm Grünlich« …
    Man war im Begriffe, den Schlag zu schließen, als Tony von einer plötzlichen Bewegung überkommen ward. Trotz der Umstände, die es verursachte, wickelte sie sich noch einmal aus {180} der Reisedecke heraus, stieg rücksichtslos über Herrn Grünlichs Kniee hinweg, der zu murren begann, und umarmte mit Leidenschaft ihren Vater.
    »Adieu, Papa … Mein guter Papa!« Und dann flüsterte sie ganz leise: »Bist du zufrieden mit mir?«
    Der Konsul preßte sie einen Augenblick wortlos an sich; dann schob er sie ein wenig von sich und schüttelte mit innigem Nachdruck ihre beiden Hände …
    Hierauf war Alles bereit. Der Schlag knallte, der Kutscher schnalzte, die Pferde zogen an, daß die Scheiben klirrten, und die Konsulin ließ ihr Batisttüchlein im Winde spielen, bis der Wagen, der rasselnd die Straße hinunterfuhr, im Schneenebel zu verschwinden begann.
    Der Konsul stand gedankenvoll neben seiner Gattin, die ihre Pelzpelerine mit graziöser Bewegung fester um die Schultern zog.
    »Da fährt sie hin, Bethsy.«
    »Ja, Jean, das Erste, das davon geht. – Glaubst du, daß sie glücklich ist mit ihm?«
    »Ach, Bethsy, sie ist zufrieden mit sich selbst; das ist das solideste Glück, das wir auf Erden erlangen können.«
    Sie kehrten zu ihren Gästen zurück.

15.
    Thomas Buddenbrook ging die Mengstraße hinunter bis zum »Fünfhausen«. Er vermied es, oben herum durch die Breitestraße zu gehen, um nicht der vielen Bekannten wegen beständig den Hut in der Hand tragen zu müssen. Beide Hände in den weiten Taschen seines warmen, dunkelgrauen Kragenmantels schritt er ziemlich in sich gekehrt über den hartgefrorenen, kristallisch aufblitzenden Schnee, der unter seinen Stiefeln knarrte. Er ging seinen eigenen Weg, von dem Niemand wuß {181} te … Der Himmel leuchtete hell, blau und kalt; es war eine frische, herbe, würzige Luft, ein windstilles, hartes, klares und reinliches Wetter von fünf Grad Frost, ein Februartag sondergleichen.
    Thomas schritt den »Fünfhausen« hinunter, er durchquerte die Bäckergrube und gelangte durch eine schmale Querstraße in die Fischergrube. Diese Straße, die in gleicher Richtung mit der Mengstraße steil zur Trave hin abfiel, verfolgte er ein paar Schritte weit abwärts, bis er vor einem kleinen Hause stand, einem ganz bescheidenen Blumenladen mit schmaler Thür und dürftigem Schaufensterchen, in dem ein paar Töpfe mit Zwiebelgewächsen neben einander auf einer grünen Glasscheibe standen.
    Er trat ein, wobei die Blechglocke oben an der Thür zu kleffen begann wie ein wachsames Hündchen. Drinnen vorm Ladentisch stand im Gespräch mit der jungen Verkäuferin eine kleine, dicke, ältliche Dame in türkischem Umhang. Sie wählte unter einigen Blumentöpfen, prüfte, roch, mäkelte und schwatzte, daß sie beständig genötigt war, sich mit dem Schnupftuch den Mund zu wischen. Thomas Buddenbrook grüßte sie höflich und trat zur Seite … Sie war eine unbegüterte Verwandte der Langhals', eine gutmütige und

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