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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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wäre, so wüßte ich einen sehr hübschen Namen. Jetzt möchte ich sie Meta nennen, aber Gr. ist für Erika.
    T.

{192} 2.
    »Was fehlt dir, Bethsy?« sagte der Konsul, als er zu Tische kam und den Teller erhob, mit dem man seine Suppe bedeckt hatte. »Fühlst du dich unwohl? Was hast du? Mir scheint du siehst leidend aus?«
    Der runde Tisch in dem weitläufigen Speisesaal war sehr klein geworden. Außer den Eltern saßen alltäglich nur Mamsell Jungmann, die zehnjährige Clara und die hagere, demütige und still essende Klothhilde daran. Der Konsul blickte umher … alle Gesichter waren lang und kummervoll. Was war geschehen? Er selbst war nervös und sorgenvoll, denn die Börse ward in Unruhe gehalten von dieser verzwickten Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit … Und noch eine andere Unruhe lag in der Luft: Später, als Anton hinausgegangen war, um das Fleischgericht zu holen, erfuhr der Konsul, was im Hause vorgefallen war. Trina, die Köchin Trina, ein Mädchen, das bislang nur Treue und Biedersinn an den Tag gelegt hatte, war plötzlich zu unverhüllter Empörung übergegangen. Zum großen Verdrusse der Konsulin unterhielt sie seit einiger Zeit eine Freundschaft, eine Art von geistigem Bündnis mit einem Schlachtergesellen, und dieser ewig blutige Mensch mußte die Entwicklung ihrer politischen Ansichten in der nachteiligsten Weise beeinflußt haben. Als die Konsulin ihr wegen einer mißratenen Chalottensauce einen Verweis hatte zu Teil werden lassen, hatte sie die nackten Arme in die Hüften gestemmt und sich wie folgt geäußert:
    »Warten Sie man bloß, Fru Konsulin, dat duert nu nich mehr lang, denn kommt ne annere Ordnung in de Saak; denn sitt
ick
doar up'm Sofa in' sieden Kleed, un
Sei
bedeinen mich denn …« Selbstverständlich war ihr sofort gekündigt worden.
    Der Konsul schüttelte den Kopf. Er selbst hatte in letzter Zeit allerhand Besorgniserregendes verspüren müssen. Freilich, die {193} älteren Träger und Speicherarbeiter waren bieder genug, sich nichts in den Kopf setzen zu lassen; aber unter den jungen Leuten hatte Dieser und Jener durch sein Benehmen Zeugnis davon gegeben, daß der neue Geist der Empörung sich tückisch Einlaß zu verschaffen gewußt hatte … Im Frühjahr hatte ein Straßenkrawall stattgefunden, obgleich eine neue Verfassung, die den Anforderungen der neuen Zeit entsprach, bereits im Entwurf vorhanden war, welcher ein wenig später, trotz des Widerspruches Lebrecht Krögers und einiger anderer störrischer alter Herren, durch Senatsdekret zum Staatsgrundgesetz erhoben wurde. Volksvertreter wurden gewählt, eine Bürgerschaft trat zusammen. Aber es gab keine Ruhe. Die Welt war ganz in Unordnung. Jeder wollte die Verfassung und das Wahlrecht revidieren, und die Bürger zankten sich. »Ständisches Prinzip!« sagten die Einen; auch Johann Buddenbrook, der Konsul, sagte es. »Allgemeines Wahlrecht!« sagten die Anderen; auch Hinrich Hagenström sagte es. Noch Andere schrieen: »Allgemeine Ständewahl!« und vielleicht wußten sie sogar, was darunter zu verstehen war. Dann schwirrten noch solche Ideen in der Luft umher wie Aufhebung des Unterschiedes zwischen Bürgern und Einwohnern, Ausdehnung der Möglichkeit, das Bürgerrecht zu erlangen, auch auf Nichtchristen … Kein Wunder, daß Buddenbrooks Trina auf Gedanken verfiel, wie der mit dem Sofa und dem seidenen Kleid! Ach, es sollte noch ärger kommen. Die Dinge drohten eine fürchterliche Wendung zu nehmen …
    Es war ein erster Oktobertag des Jahres achtundvierzig, ein blauer Himmel mit einigen leichten, schwebenden Wolken daran, silberweiß durchleuchtet von einer Sonne, deren Kraft freilich nicht mehr so groß war, daß nicht hinter dem hohen, blanken Gitter im Landschaftszimmer schon der Ofen geknistert hätte.
    Die kleine Clara, ein dunkelblondes Kind mit ziemlich stren {194} gen Augen, saß mit einer Strickerei vorm Nähtische am Fenster, während Klothhilde, auf gleiche Weise beschäftigt, den Sofaplatz neben der Konsulin inne hatte. Obgleich Klothhilde Buddenbrook nicht viel älter war, als ihre verheiratete Cousine, also erst einundzwanzig Jahre zählte, begann ihr langes Gesicht bereits scharfe Linien zu zeigen, und ihr glatt gescheiteltes Haar, das niemals blond, sondern von jeher mattgrau gewesen, trug dazu bei, daß das Bild der alten Jungfer schon fertig war. Sie war zufrieden damit, sie that nichts, um dem abzuhelfen. Vielleicht war es ihr Bedürfnis, schnell alt zu werden, um schnell über alle

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