Büchners Braut: Roman (German Edition)
bunten Blumen und Bändern darauf umspielt. Von einem Steg aus schaute Minna über den weiten Strandbogen, diesen sandigen Teppich, an dessen Rändern die Hotels undCafés mit ihren heckengesäumten Terrassen. Sie sah dem Personal bei seinem stillen beflissenen Dienst zu. Tische wurden gedeckt oder Strandkörbe und Korbsessel bereitgestellt, den Besuchern Plaids bereitgelegt, damit sie sich bei aufkommender Kühle schützen konnten.
Sie wartete auf Emma. Noch war es nicht so weit. Emma würde alleine kommen, da ihr Mann eine Unterredung habe. Es sei ja unumgänglich gewesen, sie aufzusuchen, hatte Emma erzählt, und Minna kam es noch immer verwunderlich vor, solche Neugierde geweckt zu haben. Caroline habe geschrieben, Minna sei ihr »Ideal«.
Auch wenn es schmeichelhaft war, Caroline meinte sicher die junge Minna, die sie in ihrer Erinnerung bewahrt hatte, aus Straßburger Zeiten und den Trauertagen in Zürich. Wie viel sollte von dieser Minna geblieben sein? Die alternde Jungfer und Gouvernante, die versuchte, keine Jahre zu zählen, bald den Blick in den Spiegel meiden würde, die Erzieherin, der man der puritanischen englischen Mode entsprechend auftrug, nur graue, taubenblaue oder dunkle Kleider zu tragen, in einfachen Schnitten. In Mainz war es ihr gleich, aber hier inmitten der leichten, hellen Sommergewänder war es eine peinliche Zumutung. Und ihre Unsicherheit auf Reisen zeigte sich hier stärker als anderswo. Allein die Vorstellung, nun von Emma in eines der Cafés gebeten zu werden, neben ihr, der vornehmen, gewandten Kaufmannstochter, zu sitzen, begutachtet zu werden, machte Minna nervös. Es war erlaubt, bei Gott, ja, in einem Kurort durften Damen alleine in einer öffentlichen Restauration sitzen, ohne Anstoß zu erregen. Doch Minna fühlte sich hier besonders als Landmädchen, als würdesie nur die ruppige, ländlich unkomplizierte Art in den Poststationen, Schenken und einfachen Herbergen kennen.
Aus der Promenade löste sich eine einzelne Frauengestalt, die einen Florentiner trug, der von einem seidigen, lindgrünen Band mit großer Schleife gehalten wurde. Kein Zweifel, Emma. Sie kam mit zügigen, eleganten Schritten heran. Sie war es gewohnt, durch fremde Länder zur reisen, bewegte sich frei und sicher, selbst wenn sie alleine war.
Solche Erfahrungen fehlen mir, oder sind sie mir erspart geblieben?, dachte Minna, um sich gleich darauf zu wundern, da sie so gar kein Bedauern mit den Herweghs wegen ihres unsteten Lebenswegs fühlte.
Georg war nach Straßburg geflüchtet und war dort eineinhalb Jahre lang bei ihr. Zu Hause, wie sie gesagt hatte. – Du kannst hier zu Hause sein, Georg! – Worauf er zwar zustimmte, aber im Stillen wohl sein Zimmer in der Grafenstraße zu Darmstadt vor Augen hatte, und wenn es nicht übertrieben wäre, würde Minna nun sagen, sein Blick verriet eine Ahnung, dass er dieses Haus, das Zimmer dort, wohl nie wieder sehen würde.
Für Minna stellte sich nach seiner Flucht aus Darmstadt eine heimelige Zufriedenheit ein. Alle Anspannung fiel von ihr ab.
Alle Widrigkeiten, der Haftbefehl, die Vorladungen, die Wachposten, die man an beiden Enden der Grafenstraße aufstellte, alle Gefahr hatte ihn zurück zu ihr gebracht. Zurück! Keiner wusste wie lange, was sich für Aussichten finden würden, aber ihm ging es in Straßburg besser als den meisten anderen Flüchtlingen. Er war eingebunden in ihre Familie, auch wenn er denken mochte:festgebunden. An Minna, an die Suche nach Einkommen und Brot.
War es nicht mein Recht, guter Dinge zu sein? Er war nun bei mir, sagte Minna, erstmals mit einem Blick, der Emma zeigte, wie gerne Minna doch über Büchner sprach. Endlich hatten sie sich auf einer kleinen Terrasse zum Tee niedergelassen. Emma stimmte eilig zu. Vor ihnen stand eine Schale von dem hellen Buttergebäck, das es hier überall gab.
Es war für mich die glücklichste Zeit meines Lebens. Ja, so ist es nun mal, er war auf der Flucht, aber wir waren glücklich zusammen. Eineinhalb Jahre Glück für mich, von dem, was man so Glück nennt im Leben. Die Aussicht auf eine glückliche Ehe, trotz aller Sorgen, dies ist sehr viel, viel mehr, als die meisten Frauen im Leben bekommen. Denn ohne Liebe, ohne Leidenschaft – bei Gott, was bleibt einer Frau schon.
Ja, Minna! Ich darf Sie doch Minna nennen? Dabei legte Emma eine Hand auf Minnas Arm, die lächelnd zustimmte.
Aber ja, Emma.
Und dies ist auch meine Freude, die Liebe zu Herwegh, die mir Kraft gibt, dieses Leben zu
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