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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Mal muss er meine offenen Haare gesehen haben.
    Beim Blick durch die hohen Sprossenfenster des Hotels dachte Minna jeden Tag, dass die Möwen über den Wellen hier das Schönste seien. Nun hatte sie doch noch wie ihr Vater das Meer gesehen. Und Georg hatte nie auf die See hinausblicken dürfen.
    Französisch und Englisch sollte Minna hier vornehmlich mit Pauline üben, dies war der Wunsch der Frau von Müffling. Gelegenheit würde sich genug bieten. Fast alle Einheimischen und das Hotelpersonal sprachen hier mit den Gästen Französisch. Ansonsten solle das Kind auch Ferien haben.
    Für Minna fand sich wenig Zeit, ohne Pauline das Hotel zu verlassen, am ehesten nach dem Mittagessen, wenn das Kind ruhen sollte. So war das Mädchen auch dabei gewesen, als bald nach der Ankunft ein Ehepaar auf der Promenade Minna ansprach und ihr Grüße von Caroline Schulz überbrachte. Caroline? Minna war überrascht, diesen Namen hier zu hören. Das Wellenrauschen versank im Hintergrund.
    Emma Herwegh stellte sich und ihren Mann vor. Sie hätten vermeiden wollen, Minna vor ihrer Herrschaft, der Familie eines preußischen Festungskommandanten, durch die Bekanntschaft mit dem aus Preußen ausgewiesenen revolutionären Dichter zu kompromittieren.
    Aber ja, ich erinnere mich, sagte Minna. Caroline hatte von den Herweghs geschrieben. Georg Herwegh! Minna hatte ja seinen Gedichtband gelesen. Die »Gedichte eines Lebendigen«. Darinnen das Gedicht zur Erinnerung an ihren Georg: »So hat ein Purpur wieder fallen müssen! – Mein Büchner tot! Ihr habt mein Herz begraben! Mein Büchner tot, als seine Hand schon offen.«
    Die Schulzens hatten mit Herwegh wieder einen Georggefunden, der ihnen im Geist verwandt war, einen neuen Revolutionär, der in Journalen der Obrigkeit die Stirn bot und sogar in einem offenen Brief an König Friedrich Wilhelm IV. die politischen Verhältnisse in Deutschland angeklagt hatte.
    Sie sind aus Ihrer Heimat verwiesen worden, Monsieur Herwegh. So sind Sie auch in diesem traurigen Punkt meinem George ähnlich, sagte Minna, schaute dabei Pauline nach, der sie erlaubt hatte, über den Strand zu laufen.
    Dabei war es noch eine Gnade, sagte Emma, dass kein Haftbefehl erlassen wurde. Ihr Georg musste flüchten, ihn hätte das Gefängnis erwartet in Hessen. Er hatte so immensen Mut bewiesen, diesen Text, diese großartige Schrift unter das Volk zu bringen!
    Der Blick über das Meer, das Rauschen, die Möwenschreie zu gellend. Sie musste hinausschauen. Dass sie so unerwartet in solche Gespräche gezogen wurde, war ihr unangenehm. Erinnerungen! Ständig zerrte jemand daran. Sie musste Briefe nach Darmstadt schreiben, an Georgs Eltern und Geschwister, und auch die Korrespondenz mit Caroline war von Reminiszenzen an Georg durchsetzt.
    Trotzdem sagte sie so unbekümmert wie möglich: Es freut mich, wenn Sie dies sagen. Es war ein beängstigender Mut, wie wohl auch beeindruckend.
    Emma schien zu verstehen, während Herwegh bekümmert mit einer Hand über seinen Bart fuhr.
    Und wissen Sie … Minna blieb stehen, um die beiden besser ansehen zu können. Man sagte mir, die Bauern und Handwerker hätten oft selbst den Landboten zur Polizei gebracht. Sie ängstigten sich. Wer das Blatt besaß, machte sich verdächtig, konnte ja bestraft werden.Ich war so enttäuscht. Dafür – dafür musste Büchner den Kopf riskieren?
    Herwegh schien erregt darüber. Sicher, Mademoiselle Jaeglé, aber jemand muss es tun, ohne solche Tatkraft geht nichts voran.
    Er trug einen Anzug aus hellem Tuch, wie fast alle Männer hier im Sommer, und mit dem dunklen Bart und den Haaren wirkte er darin blässlich, auch etwas gehetzt, was Minna wieder an Georg erinnerte. Ich will nicht mehr, dachte sie kurz, aber dann sah sie zu Emma, die mit ihren verständigen und taktvollen Fragen eine Abwechslung versprach von den ewigen mit zu hoher Stimme aufgesetzten Hausfrauengesprächen der Frau von Müffling.
    Im Weitergehen drohte das Gespräch zu ersticken, bis Minna sich entschloss, sie zu fragen, ob sie sich wiedersehen könnten. – Ich bitte Sie herzlich, das eine oder andere Mal.
    Emma versprach es.
    Auf dem Rückweg versuchte Minna sich an weitere Zeilen des Gedichtes von Herwegh zu erinnern. »Mein Büchner tot! Ihr habt mein Herz begraben.« Aber mehr wollte ihr nicht einfallen. Sie hatte es nie auswendig gelernt.
    ***
    Auch wenn sich am frühen Nachmittag die meisten Gäste zurückzogen, war weiterhin die Promenade von den breiten Strohhüten der Damen, den

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