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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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sich an die Ecke eines Tisches, der noch kaum besetzt war. Man grüßte ihn. Bonjour, Monsieur. – Bonjour. – Woher kommen Monsieur, wenn man fragen darf?
    Die Studenten blieben nicht wie in Deutschland unter sich. Elitäre Studentenverbindungen gab es in Frankreich nicht. War es ihm sympathisch? Französische Studenten mischten sich in den Billardsalons, den Weinlokalen und den Cafés unter Leute jeden Standes. Undin Straßburg lebte Deutsches und Französisches miteinander. Die Republikaner zogen keine Grenzen. Sie folgten ihren gemeinsamen Interessen, forderten Treue zu den republikanischen Grundsätzen und den ganzen persönlichen Einsatz für die Sache der Freiheit, selbst wenn die eigene in Gefahr geriet.
    Um ihn herum trugen die meisten Studenten rot gefütterte Westen. Sie hatten ihre Röcke beim Billardspiel ausgezogen. Auf den Bänken und Fenstersimsen lagen einige breitkrempige Strohhüte mit roten Bändern. In tiefen Zügen trank Büchner sein Bier, lehnte sich zurück und schaute. Es war gut, einfach nur sitzen und schauen zu dürfen. Aus einer Ecke jenseits der Billardtische hörte man jemanden eine Melodie intonieren. Man lachte. Ein anderer pfiff laut durch die Finger nach der Bedienung.
    Sie waren jung, aufsässig und hitzig. Sie diskutierten, sangen beim Bier und Wein die Carmagnole oder die Marseillaise, forderten ein allgemeines Wahlrecht, eine demokratische Republik und die Trennung von Staat und Kirche. Einige sogar die Gütergemeinschaft. Ihre Gesellschaften hießen »Partei der Bewegung«, »Société des Amis du Peuple«, »Sociéte des Droits de l’Homme et du Citoyen« oder auch »Bund der Geächteten«.
    Georg beobachtete sie, er sprach und diskutierte mit ihnen und würde sich wieder zurückziehen. Wie weit er in die Gemeinschaften der »Sociétés« – und welcher? – aufgenommen wurde, ob er dies wollte, wird sich nie klar herausstellen. Es blieb so, wie er später, im August 1834, schrieb: Es fände »sich keine Zeile, die mich compromittiren könnte«.

Sommer 1843, Ostende
    Es war die eingeübte Nonchalance einer sorglosen Gesellschaft, die einen Badeurlaub im neutralen Belgien genoss. Die Zeit hielt für wenige Wochen an. Im hellen Licht, das über die Nordsee glitzerte, schlenderten Adlige aus ganz Europa von den Hotelterrassen Richtung Strand.
    Auf diese Reise mit der Familie nach Ostende hatte sich General von Müffling nach langen Jahren wieder eingelassen, tat so, als könnte er die Politik vergessen. Ein etwas kleineres Hotel unweit der Strandpromenade hatten sie gewählt, die Müfflings wollten nicht dort quartieren, wo der Hoch- und Geldadel sich zu treffen pflegte.
    Minna bekam zusammen mit der siebenjährigen Pauline ein Zimmer mit Nebenraum im dritten Stock. In den ersten zwei Nächten hatte sich das Kind geziert, wollte nicht alleine schlafen, kroch zu Minna ins Bett. Es war unbequem auf dem schmalen, hohen Lager, wenn sich das Kind im Schlaf wie ein Aal wand und traumschwer die Arme über den Kopf warf. In der dritten Nacht trug sie das Mädchen zurück in das eigene Bett, von dem aus es am Morgen verwundert und stumm zu Minna hinüberstarrte.
    Fünf Schritte, sagte Minna und hockte sich auf die Bettkante. Siehst du, Pauline? Und sie machte ihr vor, wie schnell sie an ihr Bett kommen konnte.
    Ich bin gleich bei dir, wenn du nachts aufwachst. Und du schläfst doch so gut.
    Pauline legte eine Hand auf Minnas Schulter und schaute.
    Mademoiselle Mimi?
    Oui, was ist noch?
    Sie sehen so anders aus, wenn Ihre Haare offen sind.
    Oh, wie denn?
    Verlegen kräuselte sich Paulines Mund, und ihre Lider verdeckten den Blick.
    Hübscher und wie meine große Schwester.
    Hübsch? Danke, Pauline. Das hat … nun, das hat schon lange niemand mehr zu mir gesagt.
    Gerade wollte Minna sie auffordern, die Sätze in Französisch zu wiederholen, wie sie es oft zu Beginn des Tages zur Einübung tat, da sagte Pauline: Weil Sie eine Mademoiselle sind.
    So?
    Na, weil Sie keinen Gatten haben, der Ihnen sagt, wie hübsch Sie sind.
    Ah, nun ja, das wird es sein. Aber ich hatte einen Verlobten, er wollte mich heiraten. Der hat es mir damals gesagt.
    Wo ist er denn jetzt, der Mann?
    Er ist gestorben, bevor ich »Madame« wurde. Über sieben Jahre ist das her.
    Dieser Mann hat Ihre offenen Haare gesehen und gesagt, wie hübsch Sie sind?
    Ja, o ja, ich glaube …
    Minna zögerte. Sie blickte zum Fenster hinaus, wo sich in der morgendlichen Sonne letzte Wolkenstreifen auflösten. Ja, vier oder fünf

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