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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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George, warte, hier. Und sie holte aus der Anrichte zwischen den Tassen einen Brief hervor.
    Von Boeckel, in der gestrigen Post.
    Ein Murren über die späte Übergabe erübrigte sich, Eugènes Briefe waren eher unterhaltend als wichtig, aber er stutze nach einigen Augenblicken, faltete den Brief auf und wieder zu, hielt ihn gegen das Licht, als wollte er darauf etwas finden.
    Nun, es war ein einliegender in einem Kuvert an mich, wie schon der letzte.
    Er las im Stehen. Minna, es sind medizinische Gegenstände darin besprochen.
    Ach? Du meinst, er könnte mich damit in Verlegenheit bringen?
    Was hat er solche Dinge an ein Frauenzimmer zu richten!
    Der Brief ist an dich, wies ihn Minna energisch zurecht. Oh, du glaubst doch nicht …! Nun war jeder Spaß vorbei und ihr anzusehen, sie würde keinen weiteren Scherz vertragen.
    Glaubst du, ich würde deine Briefe öffnen! Ihre Hand umfasste eine Kartoffel, zog sie aus dem Wasser und warf sie nun ohne jedes Zögern nach Georg, der sich nicht ducken wollte, nur eine Hand schnell vor sein Gesicht hielt. Die Kartoffel traf seine Schulter, kullerte über den Boden, dem eintretenden Pfarrer Jaeglé direkt vor die Füße.
    Herrgott, Kinder!

Herbst 1836 bis Februar 1837
    Unterdessen ging der Sommer zu Ende. Alles geriet ins Rollen. Die falsche Nachricht, Büchner sei bereits in der Schweiz, kursierte erfolgreich. Aber tatsächlich musste er seine Einreise in die Schweiz noch vorbereiten.
    Der 21. September 1836. Der Polizeikommissar Pfister hatte das Führungszeugnis ausgestellt. Es wurde Georg zugestellt, und wie einem Jäger, der endlich die Beute hält, wurde ihm die Hand schwach, erschöpft von der Anstrengung und Spannung. Na also, flüsterte er sich in die hohle Hand, die träge übers Gesicht strich. Die Sätze für den weiteren Schritt formten sich bereits vor: »Euer Wohlgeboren« – ja, wie immer diese Wohlgeborenen, so muss man dienern. Also: »Euer Wohlgeboren werden, wie ich hoffe, einen Fremden entschuldigen, der sich die Freiheit nimmt, in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit Ihre Güte in Anspruch zu nehmen.« Das Dienern nur nicht übertreiben! Man hat einen Anspruch, jawohl, auf Achtung, wenn es auch nur auf die Beachtung eines Briefes hinausläuft.
    Georg ging in die Rue Guillaume, wedelte, wieder gestärkt, fast übermütig mit dem Führungszeugnis herum.
    Es ist da, rief Minna, dem Herrgott sei Dank!
    Er drückte Minna an sich. Die Anrufung des Herrgottes im Nachhinein ist zwar unökonomisch, sei diraber in diesem Fall verziehen. Na, nun muss dein Verlobter, der zum Doktor der Philosophie zu Zürich gekürte Narr, noch etwas kriechen vor den Behörden. Noch die eine Hürde und ich kann in die Schweiz, und die ist eine Republik.
    Dann beriet er sich mit Vater Jaeglé in der Stube über die Formulierungen für den Brief an den Züricher Bürgermeister Hess. Unverfänglich und überzeugt muss der Brief klingen, meinte Jaeglé. Minna setzte die Adresse auf das Couvert und las dann die Beteuerung seiner politischen Abstinenz.
    »Das beiliegende Zeugnis kann beweisen, dass ich seit der Entfernung aus meinem Vaterlande allen politischen Umtrieben fremd geblieben bin …« Wieder quoll in ihr die Frage auf: War dies wirklich so? Wenn Georg auch äußerst vorsichtig war, die Wahrheit lag anders, das wusste sie. Und ihr Vater? Er stellte nie Fragen dazu.
    Ein paar Tage später schrieb Minna für Georg in ihrer gleichmäßigen Schönschrift das Gesuch an den Erziehungsrat in Zürich, die Bitte um Zulassung zu der erforderlichen Probevorlesung. Noch einmal etwas gekrochen vor Amts- und Würdenträgern, aber mit Eifer, ging es doch um den Lebensplan, wie Georg es nannte, und so endet man einen Brief:
    »Mit der größten Hochachtung und Ergebenheit
    Straßburg d. 26. Sep. 1836 G. Büchner Dr. phil.«
    Und jetzt warten, sagte er, während Minna den Siegellack auftrug. Sie konnte seine reglose trockene Stimme nicht deuten. Warten war ihm verhasst.
    ***
    Oktober. Alles war erreicht. Bis hierher. Die Probevorlesung in Zürich musste noch überstanden werden. Dies war aber der kleinste Teil. Mit seinem Esprit vorgetragen, würde der Erziehungsrat ihn mit Kusshand an sich binden wollen. Alle bestätigten es ihm zu seinem Geburtstag. Die Freunde, die Verwandten. Zu den Glückwünschen gesellten sich die Gratulationen zur Aufnahme in Zürich als Privatdozent. Gläser wurden gehoben, die Gesichter hitzig. Minna trug einen Kuchen nach dem anderen auf. Georgs Augen,

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