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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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überall Menschen, die aufräumten und Karren mit Möbeln zogen oder schoben. Zwei Kinder konnte sie bereits für ihre Schule zurückgewinnen. Vor dem Haus Nummer 17 in der Rue des Moulins blieb sie stehen, rief zu einem offenen Fenster hinauf: Madame Hickel? Sind Sie da? Madame Hickel? Hier ist Mademoiselle Mimi.
    Ein preußischer Offizier, der fünf Schritte hinter ihr ging, sah sie an, grüßte mit leichtem Diener, Hacken zusammen, Hand am Tschako. Gnädige Frau, guten Tag.Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, in aller Bescheidenheit, Sie dürfen nun die gute deutsche Anrede »Frau« verwenden.
    Minna stutzte, musterte fragend den Uniformierten von oben bis unten. Sie meinen? Wieso Frau?
    In Minna dämmerte nun ein Verstehen, und sie packte ihren Schirm energisch um die Mitte, zeigte damit vage in seine Richtung.
    Frau? Noch nie habe ich eine Dame simpel Frau genannt. Wie klingt denn das!
    Äh, nun die französisierten Umgangsformen … Der Offizier hob sein Kinn, kräuselte die Lippen, suchte passende Begründungen. Das Französische ist bei uns in Berlin weitgehend und auf dem breiten Lande ohnehin … nun, aus der Mode, gnädige Frau …, Verzeihung.
    Ich heiße Jaeglé, Mad… Sie stockte. Wie sollte dieser Herr eine Mademoiselle in ihrem Alter auffassen, wo diese Anrede in Deutschland nur eine kesse Koseform für ganz junge Mädchen ist. Lächerlich? Aber noch schlimmer: Ihr kam das grausam verniedlichende Wort »Fräulein« in den Sinn. Sie war somit in Deutschland ein »Fräulein«, diese hässliche Nebenform von »Frau«.
    In Berlin, so? Hier ist nicht Berlin. Sie entschuldigen. Damit ging sie entschlossen in die Hofeinfahrt des Hauses. Ihre Hände. Sie schwitzten. Ihr Atem ging schnell, noch als sie Madame Hickel begrüßte.
    ***
    Es musste noch gehen, die Treppe hinauf, diese schmale Wendeltreppe zu ihrer Wohnung. Jeden Tag glaubte sie, Blei in den Röcken hängen zu haben, so schwerfällig kam sie sich vor. Sie musste dort oben unterrichten. Dieübrigen Räume im Haus waren ungeeignet, mitten unter den anderen, und sie brauchte ihre Zimmer für sich. War das zu viel verlangt?
    Die Miete. Aus dem Kredit, den sie vor Jahren einer Bauernfamilie gegeben hatte, brachten die Zinsen ein kleines sicheres Polster. Aber es reichte nicht für alles. Also unterrichten. Solange es geht, die Stimme und die Augen es erlauben.
    Die Nachricht, nach preußischem Recht dürften Lehrerinnen, sobald sie eine Ehe eingingen, nicht weiterhin ihren Beruf ausüben, löste bei Minna einen heimlichen Groll aus, der sich in sporadischer nächtlicher Unruhe zeigte. Ein inneres Disputieren machte sich in ihrem Kopf breit, das leider am Tage gegenüber Julie kaum einen gelebten Ausgleich fand, da Minna träge und müde war.
    Haben wir uns alle damit abzufinden, Julie?
    Ihre Cousine stellte sich offenbar solche Fragen nicht. Julie mochte das Wort »abfinden« nicht.
    Ich mag es doch auch nicht, dachte Minna, hörte dann Julie etwas von den Kaufleuten und Juristen murmeln, von Erbrecht und Besteuerungen, dass sich alles ändern würde. Eine Kiste mit Büchern hatte Julie vor Monaten noch im Keller gefunden, packte diese nun mit langen Pausen und anekdotischen Erklärungen zu jedem Buch aus. Dabei sang sie verhalten »Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich«.
    Abwechselnd reichte sie Minna ein Buch oder Charles, ob sie es zu sich nehmen wollten. Charles neckte seine Frau, sie solle lieber dem älteren Text entsprechend »Üb immer Treu und Redlichkeit« singen. Nein, Julie wollte durchaus nicht.
    Mir ist nach Mozart. Da reichte sie Minna ein weiteres Buch, verkratzte Goldlettern auf Leinen, Minna las: »Die Frauen und ihr Beruf – Luise Büchner«, wollte danach greifen, stockte, ließ ihre Hand sinken. Büchner. Dieser Name.
    Warum hast du das Buch noch? Und was soll ich damit?
    Charles, der von jeher ein besseres Gefühl dafür zeigte, den Namen Büchner vor Minna nicht ans Tageslicht zu ziehen, in welcher Form auch immer, der ihre abgrundtiefe Antipathie den Büchners gegenüber nicht vergaß, zog die Brauen hoch. Julie, gib es lieber mir.
    Aber die Luise hat doch mit dem Ludwig Büchner nichts …
    Doch Julie, auch sie hat sicher die Veröffentlichung seiner Briefe an Minna befürwortet. Minna braucht sich nicht wieder mit ihnen zu befassen.
    Jetzt lasst es sein, pack es weg und gut damit. Minnas Hände krallten sich in den abgeschabten Samt der Sessellehnen, ihre Schultern wiegte sie vor und zurück. Büchner. Dieser

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