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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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sein?
    Der Rest ist Gottvertrauen, sagt Minna.
    Nein, piccola mia. Es ist Zufall, was dem Einzelnen widerfährt, und es sind Menschen, die über ihn richten.
    ***
    Dann schrieb er den »Lenz«. Gutzkow in Frankfurt wartete darauf, wollte das Stück in sein Blatt aufnehmen. Es wurde kein Drama, wie Minna lange gedachthatte. Nur diese todtraurige Geschichte vom Lenz im Steintal. Die Worte flogen vor sich hin, setzten sich wieder zusammen, klagten Lenzens Leid und Gottes Unzulänglichkeit an, stolperten und hechelten im Takt mit seinen kranken Sinnen.
    Die Schulzens, die bereits seit Januar hier als Flüchtlinge unter dem Namen Fischer lebten, waren begeistert. Minna stockte eher das Blut, wenn Georgs Worte dieses Dahinkümmern des kranken Mannes schilderten. George hat das geschrieben. Mein George! Er fühlt mit Lenz!
    Er bräuchte einen Freund. – Mit diesem einfachen Satz wandte Minna sich an Caroline Schulz, als spräche sie über einen Jungen. Auf deren Abschiedsfeier im Juni war es gewesen, im »Tiefen Keller«. Caroline war verwundert.
    Aber Minna, woher der Gedanke?
    Caroline, Sie wissen, es gibt wenige Freunde, die Georges Geist wohltun, ihm genügen. Und nun gehen Sie und Ihr Mann. Schulz ist Georg ein wirklicher Verbündeter, für das Politische ein beruhigender und für das Herz ein vertrauter Geist.
    Die Rührung, die Caroline bei so tiefer Zuwendung fühlte, zeigte sich in kleinen Tränenteichen in den Augenwinkeln. Sie nahm Minnas Arm, rieb ihn aufgeregt und hastig.
    Minna, mein Gott, was soll ich sagen. Ja, Ihr George ist uns sehr lieb. Und niemand bedauert mehr als mein Mann, dass wir Straßburg verlassen müssen. Oh, ich wünschte … ach, es muss eben sein. Diese Flucht, sie bringt mich noch ins Grab.
    Sie zog Minna ein wenig abseits von der plauderndenGesellschaft, die sich aufzulösen begann, und schenkte Bowle nach, musste dabei die fast leere Schüssel kippen. In ihren Gläsern schwamm je ein Pfefferminzblatt.
    Ihr George schreibt überwältigend und eindringlich.
    Ja, er schreibt so beängstigend nah an seinen Gedanken.
    Diese Zeiten brauchen solche Gedanken.
    Ja, so wird es wohl sein.
    Minna fischte das Blatt aus dem Glas, kaute es, ließ den bitterscharfen Geschmack lange auf der Zunge.
    Der Druck des »Danton« wird ihn noch weiter anspornen, sinnierte sie.
    Ist er nicht mit diesem Verleger wieder in Verbindung?
    Ja, er soll von Hugo die »Lucrèce Borgia« und die »Marie Tudor« übersetzen. Das ist Arbeit und sicheres Geld.
    Daran musste sie nun denken, ans Geld! Wie kleinlich die Welt ist. Dabei kam ihr das Bild vor Augen, wie Georg mit Alexis vom Münster zurückgekommen war, Haare und Stirne kalt, doch rote Wangen, die Cravates und Revers hatten getrieft. Kein Unwetter würde sie zurückhalten, das zu tun, was sie wollten.
    Es bleibt mir gerade noch der Boeckel, sagte Georg dann auf dem Weg nach Hause über das holperige Gassenpflaster. In den Straßen hing eine süßlich-laue Sommerabendluft. Hinter ihnen Jaeglé mit dem Vater der Stoebers in ein Gespräch vertieft. Minna rief ihnen zu, sie ginge mit Georg voraus.
    Ja, der Boeckel, mit seinem quirligen Lebensmut, sagte Georg. Auch der gute Baum in seiner Herzenswärme. Doch selbst dein Bruder Louis ist nicht mehr hier,um mich mit seiner nackten Wissenschaft zu trösten. Und Alexis? Auf der Flucht wie ich, durchstreift er wohl Frankreich.
    George? Und ich? Du kennst mich, Georg.
    Georg lachte auf und freute sich über ihr Zitat aus dem »Danton«, und er antwortete wie dieser: »Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieb Georg.«
    ***
    Kannte sie ihn? Viele Tage lang meinte Minna, ja, er sei der unermüdliche Wirrkopf, ihr Wortheiliger, und sie war tief erschrocken, wenn er des Abends, nach einem hitzigen Gespräch mit dem Vater oder den Besuchern, urplötzlich vor Erschöpfung zusammensackte.
    Die Anspannung, sagte er dann, die Anstrengungen, Minna, das Leben. Es ist eine Folge der Krankengeschichte von vor zwei Jahren. Dieser Anflug von Hirnhautentzündung, kurz nachdem ich in Gießen ankam. Dieser Ort hat mich fast zum geistigen Krüppel gemacht. Ich hatte nur mich und die blanke Verzweiflung. Dann fand ich den August Becker. Eine gleichgesinnte Seele braucht man.
    Jemanden, der die Sorgen teilt, sagte Minna.
    Ja, aber was sind schon unsere Sorgen? Sorgen um ihr Leben haben die Armen, die nicht wissen, was aus ihren Kindern wird, deren Schlaflied der eigene

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