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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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dieses Flackern, die Unruhe. Warum, George? Alles war gut geworden. Sie hatte nie daran gezweifelt.
    Aber du, nicht wahr? Sie sah seine Lippen zucken unter dem angestrengten Lachen. Die Feier wurde zu lang.
    Ja, ich zweifle immer.
    In dem, was du deinen Lebensplan nennst, war so früh eine Ehefrau nicht vorgesehen. Ich weiß es.
    Du bist klug. Du wirst mich vor Torheiten bewahren. Ich werde mit dir besser auf mein Leben schauen müssen, auf das der Galgen eh schon ein Auge geworfen hat.
    Minna schenkte von dem einfachen Riesling nach, forderte ihn zum Anstoßen auf.
    Auf dass ich genügend Kraft haben werde, dich vor dem Galgen zu bewahren.
    Nun, auf dich, Minna. Weißt du, die Zeiten brauchen Mut, und es gibt genügend Ehemänner, die doch nichts anderes als raffinierte Müßiggänger sind. Bewahre mich auch davor, ein solcher zu werden.
    Jemand rief: Hoch die Gläser! Auf das glückliche Paar!
    Es klirrte sachte, man trank, ein verhaltener Applaus.
    Noch dieser Abend. Noch eine Nacht. Am nächsten Morgen die Abreise nach Zürich.
    ***
    Wieder November. Ein weiterer Geburtstag Minnas, den sie ohne Georg verbringen wird, und der Tag wird wie so oft im Nebel ersticken, ein paar Platten und Tassen werden geleert, und der Himmel bleibt grau und ist am Ende vielleicht auch leer. Kein Gott darin zu Hause. Doch was kümmert sie das! Zu Ostern wird sie nach Zürich reisen und übers Jahr Frau Büchner sein.
    »Du kommst bald?«, schrieb er ihr Ende Januar. Sie musste lachen. Er bekäme alsbald ein Zimmer zu mieten, ein großes, elegantes vor der Stadt, bei einem Wirt, welcher aussähe wie ein betrunkenes Kaninchen. Von dort könne er den See betrachten, und von allen Seiten seien die Alpen zu sehen. Aber dahin kam er nicht mehr.
    »Ich muss mich bald wieder an Deiner inneren Glückseligkeit stärken und Deiner göttlichen Unbefangenheit und Deinem lieben Leichtsinn und all Deinen bösen Eigenschaften, böses Mädchen. Addio, piccola mia!«
    Drei Wochen später musste sie nach Zürich reisen. So bald schon, so hastig. Am 18. Februar traf sie ein, durfte ihn kurz sehen, am 19. Februar blieb sie allein. Die zurückgelassene Braut. Noch dreiundvierzig Jahre lang.
    Addio, piccola mia.

1871 bis 1875
    Der Krieg ging zu Ende, und Straßburg war wieder deutsch. Wieder, ja, und der Sieger hatte an der Stadt gründliche Spuren seiner Gewalt hinterlassen. Eine barbarische Kriegsführung, so hörte man nicht wenige Straßburger in ihren in Schutt und Asche gelegten Straßen schimpfen. Da habt ihr das Elsässer Wein- und Krautfass wieder zu deutschem Boden gemacht. Preußische Gesetze, Uniformen allenthalben. Die Mailuft schwanger von Blütenduft und Misstrauen.
    Sie kamen gesund zurück, Minna zusammen mit Julie und Charles Schmidt. Auf dem Land draußen bei Verwandten hatten sie Schutz vor dem Bombardement gefunden, das Straßburg bedroht und auch getroffen hatte. Schutt, zerbrochene Fenster, Verluste an Hausrat, Schmuck, Gemälden und was sonst noch das tägliche Leben verschönerte. Und Tote. Alte und Frauen, erzählte man, und sogar Kinder sind darunter, hört ihr. Nein, wir haben keinen Grund, die Besatzer zu mögen.
    Die Rue des Cordonniers unbeschädigt. So weit war alles erhalten, das Haus stand noch. Sie konnten sich einrichten, der Rest fand sich. Die Familienbilder, die Fotografien in den glatten, etwas klapprigen Holzrähmchen, bekamen wieder ihren Platz.
    Wir werden neue Rahmen besorgen, sagte Julie, rieb mit dem Ärmel über die Glasscheiben, ihre dünne Schulter hob und senkte sich ruckartig. Schöne moderne. Versilberte? Was meinst du, Minna?
    Ach, du mit deinen Bildern.
    Jetzt sollte sie erneut täglich ihr Portrait ansehen. Nun ja. Du siehst mich doch jeden Tag, was braucht es das Bild? Von deinen Kindern, ja, stell die hin.
    Es nutzte nichts.
    ***
    Ihre Stimme. Minna hörte genau auf ihre Stimme. Sie wurde rau und brach manchmal. Altweiberstimme. Dem Unterricht nicht förderlich, und es könnte sich verschlimmern. Gott bewahre.
    Minna machte sich auf, suchte alle Familien auf, deren Kinder sie unterrichtet hatte, vor dem Aufbruch aufs Land. Flucht, sagte Julie. Minna mochte das Wort Flucht nicht. War das schon eine Flucht?
    Vor den Kanonen, Minna, entrüstete sich Julie. Vor denen mussten wir flüchten. Die Krupp-Kanonen von diesem Bismarck. Zig Kilometer sollen sie reichen.
    Vier, meine Liebe, nur vier, berichtigte Charles sie. Aber immerhin, noch nie hat eine Kanone so weit gefeuert.
    Auf ihrem Weg begegneten Minna

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