buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
Pilger, heute ist es eine beeindruckende Unterkunft. Das Personal ist nett und weist mir ein passables Zimmer zu. Mit Balkon und Blick auf den Vorplatz der Kathedrale.
Duschen, umziehen und raus in eine Tapa s-Bar. Lecker essen, ein Bierchen, mit flüchtig bekannten Pilgern plauschen. Das Leben ist schön! Zigaretten brauche ich jetzt noch. Dazu muss man hier in einen Tobacco-Laden oder einen Automaten finden. Der Automat ist aber defekt. Der Weg zum Tobacco-Laden wird mir erklärt, er liegt etwas außerhalb vom Zentrum, und gleich ist Siesta, also muss ich mich beeilen.
Wie ich so durch das schöne Städtchen hetze, sehe ich an einem Tisch einer Bar die kleine Soziologie-Studentin vom zweiten Tag vor Roncesvalles. Ihr gegenüber sitzt ein deutlich älterer Typ. Ich würde ihn mal auf Mitte 50 schätzen. Seinem Englisch nach kommt der aus dem nördlichen England oder Australien. Rein optisch sieht der nach bildungsfernem Haushalt aus und macht hier wohl auf Romeo für kleine Mädchen.
Der Kleinen muss ich unbedingt noch eben „Hallo" sagen.
Zunächst erkennt sie mich nicht, denn ich habe mir in den letzten 12 Tagen einen kleinen Bart wachsen lassen.
Doch dann wird ihr klar, wer ich bin: der Typ vom Hang vor Roncesvalles, den man auch mit langwierigem Schuhe schnüren nicht loswird.
Ihr geht’s gut, mir geht’s gut und schon will ich weiter; will dem vermeintlichen Romeo auch nicht bei seiner Arbeit stören, schaut eh schon grimmig, als hätte ich ihm in einer Minute den ganzen Tag versaut. Die Kleine fühlt sich anscheinend wohl.
Außerdem macht der Tobacco-Laden ja gleich zu.
Auf dem Rückweg zur Kathedrale läuft mir „Virgin Mary“ (Jungfrau Maria) über den Weg. So heißt sie natürlich nicht wirklich, sie ist aber unter den Pilgern mittlerweile so bekannt. Ihr Name lautet tatsächlich Mary; sie kommt aus Australien. Sie ist Mitte 60 und tourt schon seit zwei Monaten durch Europa. Eine ehrliche, herzerfrischende Person. Immer wieder habe ich gehört, dass sie „Virgin Mary“ genannt wird; jetzt weiß ich auch, warum. Wenn sie keinen Rucksack trägt, hat sie ein Tuch unter dem Hut, welches ihr bis über die Schultern geht. Das sieht wie ein Schleier aus, somit hat sie Ähnlichkeit mit Jungfrau Maria.
Später entdecke ich im Ort Daniel, der gerade seine Wäsche einer Waschmaschine anvertraut. Nach dem Befüllen der Maschine und einem Getränkestopp gehen wir zusammen die Kathedrale besichtigen. Teile des prächtigen Baues stammen noch aus dem zwölften Jahrhundert; sie bietet ein besonderes Schauspiel, das Hühner-Wunder! Es geht darum, dass zwei gebratene Hühner einem Richter vom Teller geflattert sind, nachdem er einem Elternpaar mitgeteilt hatte: „Ihr Sohn ist so tot wie die beiden Hühner auf meinem Teller.“ Details sind jedem Reiseführer zu entnehmen.
Fakt ist : In der Kirche gibt es in ca. 3 m Höhe über einer Tür einen Hühnerstall. Da drin sitzen ein Hahn und eine Henne, um an dieses Wunder zu erinnern! Der Tierfreund sei im Übrigen beruhigt, die beiden werden alle paar Tage gegen Neue getauscht. Dass der Hahn auch während der Messen krakeelt, wird hingenommen und belustigt zudem die Pilger.
Das Hühnerwunder wird dem Heiligen „Santo Domingo de la Calzada“ zugeschrieben. Dessen aufwändig verzierte Gruft befindet sich ebenfalls in der Kathedrale und liegt in der Nähe des Hühnerstalls. Eigentlich ist die Kathedrale ein Museum und weniger Kirche. Daniel und ich besichtigen die diversen Kunstschätze, bis sich Daniel für eine ganze Weile in eine Bank setzt. Ich weiß, dass er kein religiöser Mensch ist, er hat aber die besondere Ruhe in Kirchen schätzen gelernt.
Daniel findet hier gerade die Gelegenheit, auf die letzten Jahre zurückzuschauen. Wirtschaftlich war er erfolgreich, doch sind durch zu viel Arbeit zwei Beziehungen, aus denen zwei Kinder hervorgegangen sind, gescheitert. Zwar hat er zu allen noch ein sehr gutes Verhältnis, aber manchmal wäre er froh, wenn er in seiner spanischen Villa nicht alleine leben müsste. Der Hahn kräht übrigens die ganze Zeit, während Daniel da sitzt, nicht.
Später besichtigen wir noch das Dach der Kathedrale. Von hier oben bietet sich ein schöner Ausblick über die Stadt. Unten die Geschäftigkeit, hier oben Sonne und Ruhe. Wir bleiben eine ganze Weile hier oben. Schweigend, den Ausblick genießend.
Daniel muss seine Wäsche aus der Maschine holen. Ich begleite ihn und verabschiede mich danach. Auf dem Rückweg zum Hotel läuft
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