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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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unentwegt »produzierten«,
     selbst wenn wir uns von einem Bekannten für Geld und spaßeshalber durch die Stadt chauffieren ließen, und »also« Steuern sparen
     noch im Schlaf, müßten wir schließlich, um diese kommode Lebensweise aufrechtzuerhalten, Geld zum Ausgeben (Pardon! zur Schaffung
     von Arbeitsplätzen!) von Staats wegen erhalten. Konsumprämien für alle und für die Großkonsumenten ein Extragehalt, bestritten
     aus allgemeinen Mitteln. Da loben wir uns doch die kalte Feder Mandevilles! Der mühte sich, seinen wohlhabenden Zeitgenossen,
     bürgerlichen wie adeligen, ein Gewissen aus ihrem Reichtum zu konstruieren, predigte ihnen vom Verzehr als einem patriotischen
     Projekt. Ihnen den Genuß (denn darin kulminierte ihre Pflicht) nachträglich zu versilbern, sah er keinen Anlaß.
    4. Die Konsumtion steht im Brennpunkt der Realisierungsproblematik, auf weit radikalere Weise als der Volksvertreter es sich
     träumen läßt. Man sollte meinen, die linke, an Marx anknüpfende Kapitalismusanalyse besäße bessere Voraussetzungen, das Problem
     bei der Wurzel zu packen. Aber dem ist nicht so. Marx lehnte es explizit ab, die individuelle Konsumtion ins Zentrum der erweiterten
     Reproduktion des Kapitals zu rücken. Wer so verfuhr, verherrlichte entweder direkt das Bedienten- und Lakaientum, rechtfertigte
     die saturierte Bourgeoisie, die ihren Frieden mit der alten Ordnung schloß, oder war schlicht naiv. 405 In jedem Fall |346| war er als »Vulgärökonom« verdächtig, und dies Verdikt zeitigte Folgen, die nicht allein den orthodoxen Marxismus betrafen.
     »Vulgär« bis zur Geschmacklosigkeit das Ansinnen, die entmachtete Aristokratie sozial wieder in Stellung zu bringen, diesmal
     als konsumierende Klasse, die dem Kapital das Mehrprodukt verzehren hilft; 406 »vulgär« der gegen Smith ins Feld geführte Einwand, daß, die Verallgemeinerung proletarischer Lohnverhältnisse vorausgesetzt,
     »den Produzenten die Konsumenten fehlen würden und die nicht konsumierten Überschüsse nicht reproduziert werden könnten«; 407 »vulgär« der bloße Gedanke, das Kapital sei in seinem Expansionsdrang auf die Konsumtion der Proletariermassen angewiesen. 408
    Das Surplus, dozierte Marx, wird durchaus vom Proletarier verzehrt, allerdings auf produktive Weise, durch die fortgesetzte
     Verwandlung und Vermehrung des vorgeschossenen Kapitals. Überhaupt sei es ein Irrtum anzunehmen, das Mehrprodukt existiere
     überwiegend in der Form von Konsumtionsfonds. Der Kapitalismus auf industrieller Grundlage, in rastloser Ausweitung begriffen,
     produziere primär um der Produktion willen, das heißt Produktionsmittel, Werkzeuge, Maschinen, dazu gefertigt, ihrerseits
     Instrumente für den Produktionsprozeß hervorzubringen. Die könnten, ihrer stofflichen Verfassung gemäß, nicht anders angeeignet
     werden als wieder produktiv, durch Arbeit. Schließt dieser produktive Stoffwechsel im nächsten Zyklus weniger lebendige Arbeit
     ein, werden deren Träger, die Arbeitskräfte, überflüssig, daher auch als Konsumenten abgeschafft. Zusammen mit dem Verbrauch
     bislang für sie bestimmter Lebensmittel sinkt deren Produktion, Punktum. 409 Die in der Wertschöpfung Verbleibenden fahren fort, das Kapital zu produzieren, und weil das so ist, weil A für B produziert,
     muß B für A konsumieren. Generell gilt: Maschinerie verdrängt Arbeit, vermindert die Anzahl der Arbeitenden, vermehrt die
     Produktmasse, deren konsumtiver Überschuß entweder außer Landes ausgetauscht oder intern von der |347| Rentierklasse und ihren Bediensteten bzw. von der Revenue der Unternehmer absorbiert wird. 410 Wo ist das Problem?
    5. Marx argumentierte im Kontext des welthistorischen Aufstiegs kapitalistischer Produktion; illusionslos, was die Befreiung
     IN der Arbeit, DURCH Arbeit anbetraf. Unser Denkstandort ist das längst durchgesetzte und inzwischen zu globaler Herrschaft
     gelangte Kapitalverhältnis. Daraus ergeben sich, trotz der erwähnten Analogien, recht verschiedene Perspektiven. Die weiten
     Alleen, auf denen das Kapital die Welt missionierte, waren mit zahllosen Krisen, Kämpfen, Unglücksfällen und Katastrophen
     gepflastert. Sie gaben Anlaß zu Metamorphosen und Kompromissen, die das ursprüngliche Antlitz dieser Formation, gleich einem
     von Meistern verschiedener Schulen übermalten Gemälde, Zug um Zug verdeckten. Zu seinem wie zum Vorteil derer, die es jeweils
     später kennenlernten. Ohne sich in einer Mischung aus Zwang und

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