Buerger, ohne Arbeit
Treffen seinem
Alter ego, Freigesetzten, Überflüssigen, ökonomisch Abgeschriebenen. Dann stirbt, inmitten überbordenden Reichtums, der Akkumulationstrieb
entweder den Nachfragetod, oder das Kapital erholt sich von dem Schock und stattet die Bataillone der Überflüssigen und Minderlöhner
mit Anteilsscheinen auf den Reichtum aus. Das wäre ein Konsumgeld, seines Namens würdig (§ 15.3), weil es auf der Anerkennung
des Verbrauchs als eines MENSCHENRECHTS beruhte. 417
|352| Geholfen wäre auch den prospektiven Unternehmern, um den Preis, eingestanden, daß sie nun die Dummen sind, Werk- und Zahlmeister
der Armen; und der Kommunismus kehrt durch die Hintertür, die zu verriegeln man vergaß, zurück. Verstaatlichung der Produktionsmittel
auf revolutionäre Weise – ein rohes Mißverständnis; es lebe die Vergesellschaftung der Lebensmittel im Einvernehmen aller!
Schüchterne Umarmung des Kapitals mit dem Leibhaftigen.
§ 44 Dr. Sinns »eingerechnete« Arbeitsersparnis
(nach Art eines Satyrspiels)
1. Der Nationalökonom und Präsident des Münchener ifo Instituts für Wirtschaftsforschung gibt in seinem jüngsten Buch ein
bezeichnendes Beispiel für einen Postkeynesianismus, der in die krudesten Dogmen der von Keynes kritisierten Klassik zurückfällt.
Wie diese leugnet Sinn die »unfreiwillige Arbeitslosigkeit«, kennt er nur die selbstverschuldete. Sein Argument ist von erschütternder
Naivität. Menschen finden keine Arbeit oder verlieren sie, weil sie sich weigern, zu Löhnen zu arbeiten, die ihnen Beschäftigung
geben würden. Je höher das je nationale Niveau der effektiven Stundenlöhne, desto größer das Ausmaß der Selbstausschließung
potentieller Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt. Insofern feierten Gewerkschaften und Sozialstaat selbstvergessen Pyrrhussiege.
Der prominente Volkswirt weiß um die auf der Hand liegende Erwiderung: Hohe Lohnkosten bedeuten so lange kein gravierendes
Problem für Wachstum und Beschäftigung, solange sie durch geringe Lohnstückkosten aufgefangen werden. Ein Land mit hoher Produktivität
wie Deutschland kann sich höhere Löhne leisten, ohne sich Nachteile in seiner Wettbewerbsfähigkeit einzuhandeln.
Bei der Abwehr dieser Entgegnung beweist Sinn seine ganze professorale Pfiffigkeit. Eine Volkswirtschaft, kanzelt er seine
Kritiker ab, besteht nicht aus einem einzelnen Unternehmen, |353| sondern aus vielen, die unter sehr unterschiedlichen Bedingungen produzieren; einige besitzen umfänglichen Kapitalstock, andere
schmaleren, manche produzieren kapitalintensiv, manche arbeitsintensiv. Die mit geringerer Ausstattung an Sachkapital, mit
vorwiegend extensiver Wertschöpfung, leiden unter hohen Löhnen, geraten schnell an den Rand ihrer Konkurrenzfähigkeit. Steigen
die bereits hohen durchschnittlichen Tariflöhne nur um ein Geringes an, stürzen sie in den Abgrund und müssen schließen. Der
Konkurrenzkreis verengt sich, weil nur die robustesten Firmen überleben, und da die Statistik nur von den Siegern berichtet,
macht die ausgewiesene Arbeitsproduktivität einen kräftigen Sprung nach oben. Was sich wie eine endlose Erfolgsgeschichte
liest, sei in Wahrheit Ausdruck eines ernsten gesamtwirtschaftlichen Problems. Zu hohe Löhne stimulieren mehr Kapitaleinsatz
als nötig, dezimieren die Arbeitsbevölkerung über das unvermeidliche Maß kapitalistischer Rationalisierung hinaus. Immer vielköpfigere
Kontingente des Arbeitskräftepotentials werden in die Reserve versetzt, durch Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitslosigkeit;
die Gesellschaft schöpft ihre kostbarsten Ressourcen, Humankapital und produktiven Apparat, immer unvollkommener aus.
Die Wettbewerbsproblematik, folgert Sinn, läßt sich eben nicht an den betriebswirtschaftlichen Lohnstückkosten erkennen oder
doch nur, wenn man die Gesamtrechnung berichtigt, die durch Entlassungen und kürzere Laufzeiten verursachten Verluste wieder
in sie einbezieht. »Produktivität ist Wertschöpfung geteilt durch Arbeitszeit. Bei der Arbeitszeit, also im Nenner des Bruches,
müssen die Arbeitszeiten der nun Arbeitslosen und die entfallenen Stunden aus Arbeitszeitverkürzungen mitgezählt werden, die
zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung keinen Beitrag mehr leisten.« 418 Abgesehen von der Frage, wie weit man dabei zurückgehen soll, ohne die gesamte Industrialisierungsgeschichte noch einmal
aufzurollen, ist offenkundig, was geschieht, wenn man den Nenner derart
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