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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Klugheit nach innen zu zivilisieren, wäre aus dem Manchesterkapitalismus
     nie Hochkapitalismus und aus diesem niemals die Grundlage gefestigter sozialer Demokratien erwachsen. Den fortgeschrittenen
     Kapitalismus als mit der sozialen und bürgerlichen Anerkennung der Arbeiter und Angestellten vereinbar anzusehen erschien
     alles andere als »vulgär«. Die Produktion des sachlichen Reichtums der Gesellschaften hatte sich in definitive Abhängigkeit
     vom ökonomisch guten Leben und somit vom Verbrauch breitester Bevölkerungsschichten begeben. Zwar geht es nun nach vorn zurück,
     aber ein einfaches Zurück zu den Anfängen ist ausgeschlossen. Das Kapital versucht, sich vom Sozialstaat abzuseilen. Aber
     ebenso hoch wie das bereits erstiegene Plateau ist die Chance, gemeinsam mit der ganzen Seilschaft abzustürzen.
    Die Neoklassik weist, mutmaßlich, Auswege aus dem sozialen Clinch in dünner Luft. Sie führen sämtlich aus dem engen Käfig
     der fortgeschrittenen Industrienationen: Die Welt ist weit wie nie, und das Surplus wird immer Absatz finden. Nur ähneln sich
     die Raumteile der einen Welt auch |348| immer mehr. Noch tauschen die reifsten Ökonomien Kapital und Waren vornehmlich untereinander aus, das heißt zu Bedingungen,
     die denen im jeweiligen Herkunftsland weitgehend gleichen. Der wechselseitige Transfer führt, sofern, nicht zur Lösung des
     Realisierungsproblems; er erneuert es vielmehr. Es sind die vom Kapital noch unerschlossenen oder kaum berührten Wirtschaftsräume,
     die die Hoffnung tragen müssen. Wie lange können sie ihr Nahrung geben? Und hat sich der kapitalistische Globalismus aus einer
     allbeherrschenden Bewegung endgültig in einen (dynamischen) Zustand mit ausgeglichen Gefällen transformiert, was dann? Was,
     vordringlicher, bis dahin? Soll wieder gelten, was Marx gelten lassen mußte: Keine Lohnarbeit, folglich auch keine Konsumtion?
     Oder, falls Erwerb, dann zum gehörigen Tarif der Ware Arbeitskraft (zu deren heutigen Reproduktionsbedingungen, versteht sich)?
     Kann eine Politik der sozial verbrannten Erde unter zivilisatorisch entwickelten Verhältnissen, an deren Zustandekommen Generationen
     wirkten, auch nur phasenweise die Zustimmung der Mehrheit finden? Geben, anderenfalls, Polizei und Wachschutz, mit denen sich
     deutsche Arbeitsämter vorsorglich gegen den Zorn ihrer entrechteten »Kunden« versichern, den rechten Ausblick auf das Nahende?
    6. Ließe sich das Kapital in seinem Drang, die Menschheit mit seinen Mitteln zu vereinigen, zu jener Klugheit herbei, die
     ihm in vergangenen Zeiten stets zustatten kam, wir blickten gelöster in die Zukunft. Es entwickelte, allerdings, den reflektierten
     Klassenstandpunkt nicht aus sich heraus, mußte ihn von außen borgen, von wahren Wirtschaftsweisen, wie Keynes einer war. Der
     verfocht, im Unterschied zur Klassik, die eine »Theorie der einzelnen Firma« geliefert hatte, unbeirrt die Bedürfnisse weniger
     der Unternehmerklasse als vielmehr des unternehmerischen Prinzips. In einer Periode heftigster wirtschaftlicher Krisen zu
     eigenständigem Denken erwacht, beorderte er das Nachfrageproblem auf den ersten Platz der theoretischen Agenda. Die Devise
     des Einzelkapitals |349| – Kürzung der Geldlöhne senkt die Erzeugungskosten, schafft lukrativere Marktpositionen, Anreize zur erweiterten Produktion,
     letzthin zu mehr Beschäftigung –, fertigte er mit denselben dürren Worten ab wie weiland Marx: »Werden die Unternehmer … tatsächlich
     ihre Gewinne vermehren können, wenn sie allgemein nach dieser Erwartung handeln?« 411
    Der einzelunternehmerischen Borniertheit Verstand zu injizieren hielt er, anders als der deutsche Revolutionär, den wirtschaftlich
     aktiven Staat für fähig. Ihm fiel die Rolle zu, durch eine flexible Zinspolitik, gegebenenfalls durch eigene Beschäftigungsinitiativen
     mit dem Hang zum Verbrauch die effektive Nachfrage zu stärken und unbeschäftigte Kapitalien zu produktiven Investitionen zu
     verleiten. Das Ziel war Vollbeschäftigung zu voller Arbeitszeit, und »theoretisch« war es um so leichter zu erreichen, als
     revolutionäre Produktivitätsschübe aus dem Denkmodell einstweilen ausgeklammert blieben. Selbst die schwache Alternative zur
     »vollen« Vollbeschäftigung – Sicherung der Beschäftigung durch Verminderung des beschäftigungssuchenden Arbeitsangebots, etwa
     durch Arbeitszeitverkürzung – verwies er in die fernere Zukunft. 412
    In dieser Zukunft leben wir, und das ist

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