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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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der Grund, weshalb wir die enge Anbindung wirtschaftspolitischer Vernunft an die
     Imperative der Lohnarbeitsgesellschaft nicht mehr mitvollziehen können, bei Keynes so wenig wie bei seinen klügsten Schülern,
     Paul Krugman oder Daniel Cohen. Die zeichnen sich gegenüber der Mehrheit ihrer deutschen Kollegen immerhin durch entwickeltes
     Problembewußtsein und einen wachen Sinn für das Soziale aus. 413
    7. In einem Punkt fallen alle drei (in den zitierten Arbeiten) hinter Ricardos Analyse des Verhältnisses von technischem Fortschritt
     und Beschäftigung zurück. In dem
Über Maschinerie
betitelten Kapitel, das er der dritten Auflage seiner
Principles
hinzufügte, übte er öffentlich Selbstkritik an seiner früheren Ansicht, der umfassende Einsatz stets verbesserter Technik
     käme allen sozialen Klassen zugute. Für |350| die Grundeigentümer und die Kapitalisten hält er diese Behauptung aufrecht. Deren Renten bzw. Revenuen setzten sich in mehr
     Waren um, da diese durch erhöhten Maschineneinsatz billiger würden. Nicht so für die Masse der Arbeiter, deren Interessen
     die Ersetzung der menschlichen Arbeit durch Maschinen »oft sehr schadet«. Die unter der lohnarbeitenden Bevölkerung verbreitete
     Ablehnung des kapitalistischen Maschinenzeitalters befinde sich soweit im Einklang mit den »richtigen Prinzipien der Politischen
     Ökonomie«. 414 Maschinisierung der Produktion, in großem Maßstab durchgeführt, erzeuge einen Überschuß an Bevölkerung, den der Marktmechanismus
     nicht zu berichtigen vermag. Die Freigesetzten fragen nichts mehr nach; der notwendige Effekt dieser »Konsumzurückhaltung«:
     Einschränkung der für sie, ihren Konsum, bestimmten Produktion. Das schmälert die Einkünfte der betreffenden Kapitalisten,
     so daß weitere Arbeiter ihre Anstellung verlieren. Die von Absatzeinbußen betroffenen Unternehmer werden sich auf die Erzeugung
     anderer Produkte werfen, höherwertige Waren herstellen statt einfacher, Annehmlichkeiten für die Begüterten, und können dabei
     auf die Überflüssigen zurückgreifen, die sich nach Arbeit drängen, zu geringer Kost. Nur: Früher oder später faßt die Maschinerie
     auch in diesen Zweigen festen Fuß; und das langfristige Resultat wird kein Ausgleich verlorengegangener Beschäftigung, schon
     gar keine Zunahme, sondern, per Saldo, Verlust von Arbeitschancen sein. 415
    Ricardo touchiert das Realisierungsproblem, verfolgt es jedoch nicht konsequent genug. Und auch das Vollbeschäftigungsdilemma
     schwächt er zusehends ab. Um seinen Grundgedanken zu erläutern, habe er unterstellt, daß Verbesserungen der Maschinerie sprunghaft
     und in großem Umfang eintreten; praktisch geschehe dies jedoch allmählich, Sektor für Sektor, ohne abrupte Brüche. 416 Weil er seine Selbstkritik am falschen Objekt demonstriert (am evolutionären Fortgang der Industriegesellschaft statt an
     deren revolutionärem |351| Umschwung), schützt er sich selbst und seine Leser vor äußerst unbequemen Folgerungen. Diese Inkonsequenz ist jedoch allemal
     aufschlußreicher, »ehrlicher« als der doktrinäre Diskurs vieler Zeitgenossen, die sich auf ihn berufen. Dazu sogleich, nach
     einem ausblickenden Fazit.
    8. Der Fall ist, so weit, klar. Die kapitalistische Akkumulation mit der ihr zumutbaren Einsicht zu begaben verlangt heute
     weit mehr als geld-, zins- und wachstumspolitische Regulierungen im Dienst der Vollbeschäftigung. Wollen wir uns mit der Beschwörung
     eines abgeschlossenen historischen Kapitels nicht begnügen, müssen wir einen Schritt weiter gehen. Das bedingungslose Grundeinkommen
     IST dieser Schritt. Ob es in naher oder weit entfernter Zukunft in der sozialen Welt Platz greift, ist, obschon unmöglich
     vorherzusagen, für die jetzt Lebenden alles andere als beliebig. Gewiß, fernab aller Wünsche und Spekulationen, ist nur eines:
     Das Kapital selbst wird seiner bedürfen, sollte es sein globales Projekt jemals vollenden; eher früher, auf dem Weg dorthin.
     Je schneller und konsequenter es die ganze Welt nach jenem Vorbild einrichtet, das es aus den Metropolen mit sich trägt, desto
     unwiderstehlicher wird sich sein ungebrochener Fortschrittswille bis in ihren letzten Winkel auswirken, desto weniger Rückzugsräume,
     Nischen, Sonderzonen werden überleben. Hase und Igel in einem, wird es von seinem Nivellierungseifer eingeholt; und wo eben
     noch Kundschaft lockte, auf seine Segnungen begierig, zu jeder Arbeit aufgelegt, begegnet es beim nächsten

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