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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Staates, der dazu bestimmt sei, Dinge anzupacken, die die einzelnen sich
     nicht zutrauen, dem Gewerbefleiß von sich aus aufzuwecken, wenn die privaten Investitionen stocken 401 ; wieder ein Anschlußstein für Keynes’ antizyklische Wirtschaftspolitik.
    Überholt, teilweise direkt albern dagegen Mandevilles stupende Fixierung auf die Binnennachfrage um jeden Preis: Handwerker
     können Besseres leisten als Gefängnisse bauen; nicht jedes Laster verwandelt sich in einen öffentlichen Vorteil (kuriose Projekte
     vorzuschlagen scheute sich indes auch Keynes nicht 402 ). Beschränkt auch, obzwar für die damalige Zeit verständlich, sein britischer Blick auf die Welt, die geistige Gefangenschaft
     in der nationalen Konkurrenzperspektive; ebenso der Zynismus, der auf die Armen niederfährt: »Armut, die es zwar klug ist
     zu mildern, töricht aber, ganz zu beseitigen.« 403
    Der schon fast pflichtgemäß gegen Mandeville erhobene Vorwurf, er verherrliche den Parasitismus, den Luxuskult, greift jedoch
     ins Leere. Ihm ging es um etwas anderes. Das Geld, das jemand gemacht hatte, sollte nicht gehortet, sondern ohne Verzug in
     die Zirkulation zurückgeleitet werden, auf daß sich jederzeit Geschäftsgeist rege. Er rechtfertigte die Konsumtion weder um
     ihrer selbst noch um der reichen Konsumenten willen, sondern als Motor und Garanten der Produktion. Was dem an sich knauserigen
     Kapital Absatzkrisen in Permanenz ersparte, immer umfänglichere Märkte erschloß, war der Hang der Reichen zum Verzehr. Wer
     üppig konsumierte, erfüllte, wissentlich oder nicht, eine nationale Mission; Konsumtion als staatsbürgerliche Tugend.
    3. Ein Mandeville unserer Zeit, oder: Arbeit paradox. Intervention von Rainer Wendt, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses |344| im Deutschen Bundestag: »Der Wirtschaftsexperte schlägt vor, dass jeder, der einen anderen beschäftigt, die Kosten dafür von
     der Steuer absetzen kann, was bisher nur Unternehmen gestattet wird. Firmen ziehen die Löhne ihrer Beschäftigten vom Umsatz
     ab. Nur das, was übrig bleibt, muss versteuert werden … Der Drogeriebesitzer kann als Unternehmer Angestellte von der Steuer
     absetzen. Beschäftigt er als Familienvorstand eine Haushaltshilfe oder einen Gärtner, darf er nur einen kleinen Teil der Lohnkosten
     absetzen – im Rahmen des so genannten Dienstmädchenprivilegs. Warum der Unterschied? Warum gibt es überhaupt zwei Arten von
     Arbeitgebern, einen mit Steuerprivileg und einen ohne? Und: Ist angesichts dieser Benachteiligung der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft
     überhaupt zu schaffen, wenn viele Jobs nicht mehr in der klassischen Industrie entstehen?« 404 – Fragen über Fragen und eine wahrhaft grandiose Widerlegung von Adam Smith, der jenen Reichtum prophezeite, die ihr Geld
     produktiv als Kapital verauslagten, Armut hingegen denen, die es privat als Revenue verpraßten. Nunmehr würden alle reich.
     Der Konsument von Dienstleistungen, weil er seine Auslagen, als Unternehmer neuen Typs, der konsumierend Arbeitsplätze schafft,
     steuerlich veranschlagen kann, und der Dienstleistende selbst wird »reich«, weil er den Dienst jetzt überhaupt erst leisten
     darf. Aber warum so zurückhaltend? Warum die famose Idee nicht auch der Konsumtion von WAREN applizieren? – Ich gehe zum Bäcker,
     kaufe dort ein. Ginge ich nicht dorthin oder kaufte weniger, wer weiß, vielleicht ging der Laden pleite. Ich habe also, als
     ich meine Brötchen erwarb, den Bäcker und seine Angestellten zu meinem Teil »mitproduziert«, das verdient steuerliche Entlastung.
     Und so bei jedem Warenkauf.
    Die Produktion produziert den Konsumenten und seinen Gegenstand, so dachten wir bisher. Die Produktion erfüllt sich in der
     Konsumtion, verwirklicht sich in ihr, das war uns auch geläufig. Daß die Konsumtion Produktion IST, daß sie |345| Arbeit produziert, und zwar unmittelbar, im Akt des Verbrauchs, weshalb sie ihr fiskalisch gleichgestellt gehört, darf demgegenüber
     als grundstürzende Erleuchtung gelten. So schlägt man bare Münze aus einer Tautologie. Ich konsumiere, »also« anerkenne ich
     die Mühe des Produzenten als gerade meines Geldes würdig, »also« bestätige ich ihn in dieser Eigenschaft, was ich, »also«,
     als meine Produktion verstehe, die mir entgolten werden muß. – Dumm nur: Eine Gesellschaft solcher »Produzenten« ginge alsbald
     des Staates verlustig, der gesamten öffentlichen Sphäre, sofern an Steuermittel angebunden. Da wir alle

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