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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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der in ihn eingebundenen Unternehmen. Die abstrakte Alternative: Verkürzung
     der Arbeitszeit für alle oder Arbeitslosigkeit für einige scheitert an den Realitäten der kapitalistischen Marktwirtschaft.
     Nicht alle Unternehmen können auf die Aneignung von Produktivitätsgewinnen durch die organisierten Erwerbstätigen erfolgreich,
     das heißt durch nochmalige Steigerung der Effizienz reagieren. Sie geraten in einen kritischen Zustand, der indes mehr Auswege
     bietet als das Sinnsche Dilemma (entweder stagnierende, fallende Löhne oder Entlassungen) zugesteht. Sinkende Nettogewinne
     können durch erhöhten Absatz ausgeglichen werden, durch Umsatzsteigerung; rechtzeitige Kreditaufnahme zu günstigen Zinsen
     oder zeitlich gestreckter Schuldendienst mögen die Lage entspannen, zumindest vorübergehend. Tritt langfristig keine Entspannung
     ein, kommt es zur Polarisierung: wachsende Kapitalintensivierung, progressive Produktivitätsentwicklung auf der einen Seite,
     Einschränkung oder gänzliches Aufhören der Produktion mit der Folge von Kurzarbeit oder Insolvenz auf der anderen. Das ist
     der Springpunkt von Sinns Rechenkunststück.
    Setze einen Zeitpunkt A, in dem die Lohnsumme ebenso 100 Prozent betrage wie die Anzahl der Unternehmen und deren durchschnittliche
     Produktivität. Nun steige die Produktivität zum Zeitpunkt B auf 110 Prozent, wovon die Beschäftigten sich die Hälfte in Form
     steigender Löhne aneignen, die dadurch auf 105 Prozent stiegen. Das wiederum überfordere 5 Prozent der Unternehmen, deren
     Anzahl in der Konsequenz auf 95 Prozent falle. Dann wird die um zehn Punkte gestiegene Produktivität nur mehr von 95 Prozent
     der Unternehmen repräsentiert, und um diese Differenz |357| reduziert sie sich nun. – Wären die Löhne schwächer oder gar nicht gestiegen, könnten mehr, vielleicht sogar sämtliche Firmen
     den produktiver gewordenen Apparat bedienen, wäre der gesamtwirtschaftliche Ertrag größer, die Arbeitslosigkeit nur marginal.
     Lektion: Laßt den Unternehmen, was den Unternehmen gebührt, organisiert euch nicht gegen die Logik des Marktes, denn ihr selbst
     seid die ersten und hauptsächlichen Leidtragenden!
    4. Geschickt drapiert sich der Lobbyist als Anwalt der Gesamtinteressen. Nur »übersieht« er geflissentlich das Wesentliche.
     Zunächst: Für die jeweils überlebenden Unternehmen stellt sich die obige Alternative, Reduktion der Arbeitszeit für alle Mitarbeiter
     oder partielle Kündigung, sehr wohl, mit greifbar differenten Folgen. Würde sie im Entscheidungsfall doch immer Sinns Gedankenblitz
     ereilen, so daß sie sogleich wieder »hineinrechnen«, was sie an Arbeit freizusetzen sich entschlossen haben, fühlt man sich
     versucht, zu sagen. Aber Vorsicht: Die Falle der billigen Arbeit schnappt gleich zu! Ferner: Die im Konkurrenzkampf Obsiegenden
     sind für den globalen Wettbewerb gestählt; je mehr solche Unternehmen ein Land aufweist, desto größer ist sein interner Verteilungsspielraum
     (sofern die Unternehmen sich national einfangen lassen, steuer- wie sozialpolitisch), desto umfänglicher ist die Finanzmasse
     zur Abfindung der aus dem Wertschöpfungsprozeß Herausgefallenen. Was das eine wie das andere ermöglicht, ist realer Produktivitätsvorsprung,
     und mit »eingerechneter« Ersparnis ist hier gar nichts zu bestellen.
    Hätten die deutschen Arbeitnehmer auf Teilhabe am Produktivitätsgewinn vornehm verzichtet oder nur ängstlich daran partizipiert,
     wären, rein rechnerisch, mehr Beschäftigte im Spiel geblieben, was aber wieder nur auf die Fadaise hinausläuft, daß in diesem
     Fall der Selektions- und Rationalisierungsdruck schwächer ausgefallen, jener internationale Vorsprung also gar nicht erst
     errungen worden wäre. – Wie besonnen argumentiert dagegen Ricardo. Der wußte, daß |358| verbesserte Maschinerie die Produktionskosten der Waren senkt, was auf auswärtigen Märkten zu Extraprofiten führt, aber auch,
     was dazu nötig ist: »Maschinerie und Arbeit sind in ständiger Konkurrenz, und die erstere kann häufig so lange nicht verwendet
     werden, solange die Arbeit nicht steigt.« 420 KANN, darauf liegt für Ricardo der Akzent. Steigende Arbeitskosten machen den Fortschritt erst möglich, weil nötig. Setzen,
     Dr. Sinn! – Die »eingerechnete« Ersparnis rechnet aus der Konkurrenz all das heraus, was sie zum Stachel der einzelnen Unternehmen
     macht, zur Herausforderung: schlagkräftige Arbeiterschaft, kollektive Verhandlung, Eingehen

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