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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Werksgärtnerei eine Sattlerei
    eine Schneiderei.
     
    Der Ring aus sozialen, kulturellen, sportlichen und medizinischen Einrichtungen war nicht immer so umfänglich wie im Fall
     der Wolfener Filmfabrik; mit kleinerem Radius fand er sich bei jedem staatlichen Unternehmen von einiger Bedeutung. Die Arbeitsstelle
     bettete die Menschen in stabile soziale Beziehungen sowie in ein dichtes Geflecht gemeinschaftlicher Aktivitäten und individuell
     abrufbarer Dienstleistungen ein. Als die Betriebe schlossen, kam den Menschen daher weit mehr abhanden als nur die bloße Arbeit
     – Gelegenheit und Antrieb zu kollektiven wie persönlichen Unternehmungen. Hatte man sich früher gegenseitig mitgezogen ins
     Theater oder in die Gymnastikgruppe, mußte nun jeder allein die Schwellen überwinden, von den damit verbundenen Kosten und
     Wegen einmal abgesehen. Die ostdeutsche Erfahrung mit »ganzer Arbeit« hat nichts Apartes, sie ist der Arbeitnehmerschaft im
     Westen seit Generationen vertraut. Auch dort umfaßt die Stelle mehr als die Funktion, folgt aus der Arbeit Weltbezug. Bezieht
     man die sozialen Garantien, die der modernen Erwerbsarbeit seit mehr als einem Jahrhundert innewohnen, mit in die Betrachtung
     ein, erkennt man die »Eindimensionalität« des erwerbstätigen Menschen |54| von heute als das, was sie tatsächlich ist – als Spleen entfremdeter Intellektueller, als Ideologiekritik aus ideologischen
     Prämissen.
    3. »Snobismus«, »Marotte«, »Spleen«, das sind vielleicht zu ungefähre Invektive. Die Überzeugung, daß Arbeit nur nach Brot
     geht, gehört zu den tiefsitzendsten und langlebigsten Vorurteilen der gebildeten Welt. Sie begleitet die Lohnarbeitsgesellschaft
     wie ein Schatten. »Es ist noch niemandem aufgefallen, daß Lohnmangel ein besserer Ausdruck wäre als Beschäftigungsmangel,
     denn was der Arbeitslose vermißt, ist nicht die Arbeit, sondern die Entlohnung der Arbeit.« Diese Worte des liberalen Nationalökonomen
     Mises sind purer Hohn. Menschen seiner Art und Herkunft haben fast immer so gedacht. Schon lange zuvor, in der Mitte des achtzehnten
     Jahrhunderts, setzte ein englischer Bischof dem kollektiven Standesdünkel ein ebenso schmuckloses wie treffendes sprachliches
     Denkmal: »Wenn ein Mann um Arbeit bettelt, dann bittet er nicht um Arbeit, sondern um Lohn.« 44 – Sofern Menschen mit intellektuellen Professionen die Arbeit einmal nicht banalisieren, fallen sie häufig ins entgegengesetzte
     Extrem und glorifizieren sie mit enthusiastischen Formulierungen, die nur dieselbe Fremdheit verraten. Nüchterne Porträts
     der Erwerbsarbeit und des Erwerbslebens, die sich auf die REALEN Erfahrungen gründen, die die Arbeitenden in und mit der Arbeit
     machen, bilden rühmenswerte Ausnahmen. Was wir in jüngster Zeit beobachten, sind vor allem Fortschritte der Ironie. Von dem
     verständlichen Bedürfnis angetrieben, Arbeitslosigkeit zu entstigmatisieren, ironisieren »glückliche Arbeitslose« die herrschende
     Sicht auf Arbeit als triviales Geschehen, als höchst profanen Brotdienst. »Wenn der Arbeitslose unglücklich ist, so liegt
     das nicht daran, daß er keine Arbeit hat, sondern daß er kein Geld hat. Also sollten wir nicht mehr von ›arbeitslos‹, sondern
     von ›geldlos‹, nicht mehr von ›Arbeitssuchenden‹, sondern von ›Geldsuchenden‹ reden, um die Dinge klarer zu stellen.« 45 Wenn es mit der Arbeit |55| keine weitere Bewandtnis und kein Fortkommen hat, das übers Geldverdienen hinausschießt, dann verschont uns damit und gebt
     uns einfach Geld! Das subversive Spiel mit dem herrschenden intellektuellen Diskurs lebt von der Angriffslust. Es hält den
     »Herren der Arbeit«, speziell deren geschulten Claqueuren den Spiegel ihrer wahren Meinung vor, konfrontiert die Sonntagspredigten
     zur Arbeit mit der gewohnheitsmäßigen Geringschätzung derselben. Damit nicht genug, verfolgt es ein Ziel, das den Spott lohnt:
     Menschen, die ihre Arbeit verlieren oder gar nicht erst ins Arbeitsleben hineinfinden, sollen in ihrem Menschsein materiell
     bestätigt und kulturell ermutigt werden, etwas mit ihrem Leben anzufangen.
    Nur gelangt man auf diesem Wege nicht zum Ziel. Die großstädtischen Flaneure der Arbeitslosigkeit, besonders die in kurzen
     Hosen, erklären die Erwerbsarbeit zu einer Art
Black box
und berauben sie im Namen eines falsch verstandenen Eudämonismus sämtlicher ihr anhaftenden Momente von Glück und Befriedigung.
     Dadurch kopieren sie die bürgerliche

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