Buerger, ohne Arbeit
und ein Verständnis
kollektiver Verbindlichkeiten« dienten als Sprungbrett in die moderne Industriegesellschaft. Die Vorgeschichte macht begreiflich,
daß |60| die japanische Gesellschaft im Aufholen schon einige Übung besaß, als sie im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts
zu einem weiteren Sprung ansetzte. 52
2. Er griff auf schon erprobte Tugenden zurück, auf Lerneifer, Arbeitsethik, Kollektivismus, nationale Ambitionen und Überlegenheitsgefühle.
Der hauptsächliche Schlüssel zum Erfolg lag diesmal aber nicht in der Übernahme fremder Erkenntnisse und im Nachbau von Maschinen
und Anlagen, auch nicht im gezielten Protektionismus, in der Abschirmung des inneren Marktes, vor allem der gewerblichen Produktion,
gegenüber auswärtiger Konkurrenz. Selbst die hohen staatlichen Subventionen, z. B. für die Autoindustrie, aber auch für andere
strategische Wirtschaftszweige erklären das »Wunder« nicht befriedigend. Diesmal kam etwas Neues hinzu, schöpfte man aus eigenen
Ressourcen. »Es war die japanische Ethik der kollektiven Verantwortung, die effektiver Teamarbeit, dem Ideenaustausch zwischen
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschaft, der Konzentration aufs Detail zwecks Fehlervermeidung entgegenkam.« 53 Sie schufen die effektivste Qualitätskontrolle der Welt, die Fehler, Ausschuß, Nacharbeit bis auf ein Geringes ausschloß.
Eine ganze Reihe weiterer Erfindungen knüpfte daran an und münzte den augenfälligen Nachteil gegenüber dem Hauptkonkurrenten
dieser Zeit, den USA, einen vergleichsweise kleinen Binnenmarkt, in einen Vorteil um. Hierzu gehören die Diversifikation der
Serienproduktion, beschleunigter Entwurf und Umsetzung von Modellen, das Eingehen auf Kundenwünsche, der exzellente Service.
Mehrzweckmaschinen mit leicht zu handhabender Umprogrammierung wurden ebenso schnell entworfen wie installiert, die großen
Depots aufgelöst, Just-in-Time-Fertigung zur neuen Regel, die zentrale Rolle des menschlichen Akteurs zur säkularen Religion.
Gruppenarbeit, Selbständigkeit, basale Verantwortung waren die meistgehörten Schlagworte der neuen Ära. Jeder Mitarbeiter
war und fühlte sich aufgerufen, zu Verbesserungen beizutragen, Vorschläge zu unterbreiten. |61| Die Kehrseite dieses Appells an die Autonomie der einzelnen und Gruppen war die totale Vereinnahmung der Mitarbeiter durch
»ihre« Unternehmen. Kurzum: Das postfordistische Produktionsregime war geboren.
Darüber ist viel und viel Erhellendes geschrieben worden. 54 Weniger gut beleuchtet wurde dagegen der Zusammenhang dieses Regimes mit dem Prozeß der Globalisierung. Dabei ist er offenkundig
genug. Der Postfordismus, das heißt die verschlankte, flexibilisierte Produktion, ruft nach der Globalisierung und ermöglicht
sie zugleich. Postfordistisches Produzieren, das bedeutet Entschlackung des Fertigungsprozesses von allem, was ihn unnötig
aufhält, in die Länge oder Breite zieht, bedeutet potenzierte Beweglichkeit der Unternehmen nach innen und nach außen, Erlösung
vom seßhaften Gebundensein an Zeit und Raum, bedeutet neue Handlichkeit, weniger Gepäck beim Umzug des Ganzen oder einzelner
Module rund um dem Globus, bedeutet der Potenz nach Übergang zum frei flottierenden Betrieb, zum
portable capitalism
, wenn man eine Metapher wünscht. 55 Übergang der Potenz nach, noch nicht
in actu
, insofern das postfordistische Regime sowie die ihm entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse anfänglich noch
in Grenzen, namentlich politische, gebannt waren, die zu überwinden nicht in ihrer Macht stand. Erst durch die Volkserhebungen
in Ost-Mitteleuropa von 1989 und unmittelbar danach gelangten Prinzip und Praxis zur Deckung. Blickt man in funktionalistischer
Perspektive auf diese bewegte Zeit und ihre kollektiven Akteure, dann könnte man sagen, sie erhörten Ruf und Werbung dieser
allerneuesten Geschäftsidee. Nur ist solch nachträgliche Klugheit auch nur eine intellektuelle Marotte.
3. In seiner Auswirkung auf die Verhältnisse im unmittelbaren Arbeitsprozeß zeigt der Postfordismus ein widersprüchliches
Gesicht. 56 Rückblickend leuchtet der Bruch mit der »zerstückten Arbeit« der vorangegangenen Periode wie von selber ein. Tatsächlich
fand er erst statt, als die mit |62| den Namen von Taylor und Ford verbundene Arbeitsweise sämtliche in ihr schlummernden Möglichkeiten erschöpft hatte und nun
ihrerseits zum Hemmnis der weiteren Produktivitätsentwicklung geworden
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