Buerger, ohne Arbeit
zum eigentlich unproduktiven menschlichen Vermögen abzustempeln,
scheitert im ersten Anlauf. Das Produkt verweigert die gewünschte Auskunft und lobt im Zweifelsfall die Schöpfungen des
Animal laborans
, urbar gemachtes Land, Straßen und Kanäle, Bergwerke, Fabriken und Maschinen. Man mag sie dem Kölner Dom für unterlegen halten;
den Vergleich mit Großmutters Truhe halten sie aus. Daß sich das Werk der Hände, Handwerk, im Gegenstand erfüllt, vollendet,
selbst genießt, industrielles Arbeiten dagegen nie zur Ruhe kommt, weil seine Artefakte zur Konsumtion bestimmt sind, die
nach neuer Arbeit ruft, ist unbestreitbar, begründet aber keine Hierarchie. Sofern der physische Verschleiß in das industrielle
Produkt nicht eingebaut ist, um seine Lebensdauer künstlich abzukürzen, hängt sein Verweilen in der Welt von der Souveränität
des Konsumenten ab. Meine Möbel mögen moralisch verschleißen, nicht mehr modisch sein; der Vermodung nachzugeben, die Dinge
von mir abzutun, kann mich keiner zwingen.
2. Wenn den Dingen weder auf der Stirn geschrieben steht, wer sie erzeugte, noch wie und wie lange sie sich gebrauchen lassen,
muß
Homo fabers
Führungsanspruch bessere Gründe finden. Arendts zweiter Anlauf zieht den Schaffensprozeß selbst zu Rate und mündet in die
Behauptung, daß Arbeiten wesentlich geistlos, Herstellen dagegen |47| seiner Natur nach ein bildnerisches, schöpferisches Vermögen ist, geistiger Entwurf. Wird der Entwurf kunstvollen Händen anvertraut,
herrscht Harmonie von Kopf und Hand; geht er in Hände über, die zwar fleißig sind, doch nicht beseelt, sind Kopf und Hand
geschieden, hier das Projekt, dort seine bloße Ausführung. Das
Animal laborans
zeigt mit falschem Stolz auf seine Werke, denn was an ihnen wirklich Werk ist, Konzeption, Modell, gehört dem
Homo faber.
Arbeiten als Ausführung fremder Pläne begriffen ist »frei von willentlichen Entscheidungen und vorgefaßten Zwecken«, blind
wie die Natur, an der sie sich abmüht und der sie ohne die Gaben des Herstellens unbeholfen ausgeliefert wäre. 35
Das zweite Argument ist treffsicherer als das erste, gilt aber ebenfalls nur eingeschränkt, für industrielle Arbeitsprozesse
einer bestimmten historischen Stufe, die den Arbeiter entweder der Maschine unterwerfen oder die Arbeit bis ins Extrem aufspalten.
Abgesehen davon, klammert es das Herstellen aus der Rationalisierung aus, so daß der Eindruck entsteht, es sei der gute alte
Werk- oder Zunftmeister, der modelliert und plant. Tatsächlich sind es arbeitsteilig zusammenwirkende Spezialisten, die das
vollbringen, gewinnt das Herstellen selbst mehr und mehr Arbeitscharakter, mit dem gravierenden Unterschied, daß diese Arbeiten
weit anspruchsvoller und, da nicht bis ins Letzte determinierbar, auch autonomer sind. Der gegenläufige Prozeß, der die einfache
Arbeit, die Arbeit der Arbeiter, wieder mit Inhalten versieht, interessanter und selbständiger gestaltet, so daß er bislang
dem Herstellen vorbehaltene Eigenschaften erwirbt, gehört einer späteren Phase der Entwicklung an als jener, auf die Arendt
Bezug nehmen konnte.
3. Der dritte Anlauf soll dem
Animal laborans
nun auch philosophisch das »Handwerk« legen, indem es als
Homo clausus
erscheint, als ein in sich eingesperrtes Wesen, das von der Welt um es herum, von öffentlichen Dingen, weder etwas weiß noch
etwas wissen will. Arbeit, Familie, Konsum |48| – in diesem Dreieck haust der arbeitende Mensch der Moderne mehr, als daß er sich darin bewegt. »Das Animal laborans flieht
nicht die Welt, sondern ist aus ihr ausgestoßen in die unzugängliche Privatheit des eigenen Körpers, wo es sich gefangen sieht
von Bedürfnissen und Begierden, an denen niemand teilhat und die sich niemanden voll mitteilen können.« 36
Es gibt eine Kritik der Arbeit, der Arbeit Leistenden, für die das Wort »snobistisch« am passendsten erscheint. Anders als
die aristokratische Arbeitsverachtung, die die armen Teufel dort unten mit wenigen Worten abspeist, die symbolisch kurzen
Prozeß mit ihnen macht (Aristoteles’ »lebende Werkzeuge«), kann die snobistische ihren Ekel vor dieser Existenz oftmals nur
schwer beherrschen. Sie ist ihrer selbst viel zu unsicher, zu ängstlich besorgt, von diesem Element majorisiert zu werden,
um gelassenen Hochmut an den Tag zu legen. Der Aristokrat kränkt das soziale Ehrgefühl anderer Menschen im Vorübergehen, ohne
Aufwallung der Gefühle, indem er
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