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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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kluge wie »solidarische« Kritik am BEDINGUNGSLOSEN |130| Grundeinkommen, schon vor dreißig Jahren formuliert, stellt das Modell auf den Prüfstand. 120 Hier, in Kürze, das Mängelprotokoll:
    a) Das Bürgergeld, als Prämiensystem für Aussteiger verstanden (§ 14.8), reibt sich am Abstandsgebot (§ 15.1). Wird der Abstand
     gewahrt, bewegen sich die unteren Durchschnittslöhne deutlich oberhalb der Mindestsicherung, verspüren die Bezieher kleiner
     Arbeitseinkommen wenig Neigung, aus dem Berufsleben auszusteigen. Mag die relative Einbuße auch gering sein, so schlägt der
     absolute Verlust ernüchternd durch. Die gehobenen Einkommensgruppen erfahren dieselbe Differenz als schlichten Absturz und
     klammern sich energisch an ihre materiellen Privilegien sowie an ihr Sozialprestige. Wahrscheinlicher als der freiwillige
     Abschied von der Arbeitsgesellschaft ist unter diesen Umständen das Herausdrängen der unteren Lohngruppen durch Unternehmer,
     die sich bei Entlassungen künftig auf existentielle Garantien berufen können, auf einen Fall, der nicht ins Bodenlose führt.
    b) Das Unwahrscheinliche – Ausstieg aus dem Erwerbssystem in größerem Maßstab – einmal vorausgesetzt, gibt es keinerlei Vorkehr
     gegen den Wiedereinstieg der schon Stillgelegten in den Arbeitsmarkt. Wer das Minimum empfängt, darf innerhalb vereinbarter
     Margen etwas hinzuverdienen und wird sich oft genug dazu genötigt sehen, um seine bescheidenen Lebensverhältnisse ökonomisch
     aufzubessern. Mit dem Arbeitsangebot hält sich der Druck auf die Löhne der aktuell Beschäftigten auf hohem Niveau. Je geringer
     das Mindesteinkommen, desto ausgeprägter die Erwerbsneigung der Aussteiger, desto realer die Chance des Lohnverfalls im unteren
     Segment, der Selbstverkehrung der Mindestsicherung in indirekte staatliche Lohnsubvention.
    c) Angenommen, der Ausstieg findet in größerem Ausmaß statt und die Rückkehr hält sich in vertretbaren Grenzen, so geraten
     reguläre Beschäftigungsverhältnisse dennoch in die Klemme. Wer aus der Lohnarbeit ausscheidet, |131| verfügt über notwendige Subsistenzmittel, vor allem aber über freie Zeit. Setzt er diese Zeit ein, um seinen Lebensstandard
     durch Eigenarbeit anzuheben, schlägt er all jenen die Arbeit aus der Hand, die die entsprechenden Güter oder Dienstleistungen
     warenförmig erzeugen. Verbindet er sich mit anderen in gleicher Lage zu dem Zweck, die Produkte der Eigenarbeit zu vermarkten,
     gründet er ein Unternehmen, attackiert er Normalarbeitsverhältnisse sogar auf ihrem eigenen Feld. So oder so gefährdet er
     Nachfrage, Einkommen und Beschäftigung in der formellen Ökonomie.
    d) Nähert sich das Mindesteinkommen den Durchschnittsbezügen der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen so weit an, daß die Differenz
     vernachlässigt werden kann, verschmilzt es, das Abstandsgebot gänzlich mißachtend, mit diesem Durchschnitt, gerät die Befreiung
     von der Arbeit zur Radikalentwertung der Erwerbsarbeit. Was an der Arbeit unaufhebbar »Arbeit« ist, Entsagung, Mühsal, Triebverzicht,
     steht plötzlich nackt und schutzlos da. Diese Mangelerscheinungen befreiten Menschseins weiter zu ertragen, ohne länger an
     sie gekettet zu sein, ohne jeden materiellen Ausgleich, wäre reiner Masochismus. Gelangt das Leben ohne Arbeit in den Genuß
     derselben Früchte wie das arbeitsame, und zwar auf direktem Weg, droht dem Gewerbefleiß der Tod.
    5. Beginnen wir mit dem letzten Arrangement, mit dem Bürgergeld als AUSKÖMMLICHEM Einkommen in der Nähe arbeitsamer Existenzgewinnung.
     Hier wird der Ausstieg aus der Lohnarbeit erkennbar stimuliert. Gering wie der Erwerbswille der bereits Ausgeschiedenen ist
     die Angst der noch Aktiven vor dem erzwungenen oder freiwilligen Abschied. Die »Herren der Arbeit« verfügen über keine wirksamen
     Disziplinierungsmittel, um die Menschen an ihre Arbeit zu fesseln. Die Reihen der unteren Lohngruppen lichten sich aus freiem
     Willen, und die Unternehmer treibt die Sorge um, wer diese Arbeiten morgen noch verrichtet, ohne Not und zusätzlichen Anreiz.
     Die Sorge kleidet sich in eine Frage, die entwaffnend wirkt. Und dennoch ist sie falsch gestellt. Sie |132| setzt als bewiesen voraus, daß eine vergleichsweise hohe Grundsicherung den Arbeitseifer langfristig entmutigt. Das Gegenteil
     trifft zu. Das Bürgergeld, sofern es seinen Namen hochhält, lockt Menschen aus minderen Beschäftigungsverhältnissen an. Sie
     geben ihre Stellen auf, und in je größerer Zahl

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