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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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sie sich dazu entschließen, desto spürbarer fällt das effektive Arbeitsangebot
     hinter die Nachfrage zurück. Binnen kurzem geraten die noch aktiven Anbieter von Arbeitskraft in eine Verhandlungsposition,
     die sich ansonsten nur der Arbeiterelite eröffnet. In ihren Qualifikationen potentiell ersetzbar, sind sie es doch nicht akut
     (a). Gleichzeitig sehen die Empfänger des Grundeinkommens wenig Veranlassung, ihre freie Zeit für einen geringen Hinzuverdienst
     zu opfern (b). Da sie unter auskömmlichen Verhältnissen leben, fragen sie Güter und Dienstleistungen eher am Markt nach, als
     sie durch individuelle oder kollektive Eigenarbeit zu erzeugen (c), was die Unentbehrlichkeit der Arbeitsbevölkerung nur weiter
     unterstreicht. Da keine vielköpfige Reservearmee von noch weiter unten in den Arbeitsmarkt drängt, können sie höhere Löhne
     fordern und auch durchsetzen. Die Abwanderung aus der Basis der Arbeitsgesellschaft versiegt, die Arbeitsverhältnisse festigen
     sich in materieller und sozialer Hinsicht, und hält dieser Konsolidierungsprozeß einige Zeit an, werden die zunächst aufgegebenen
     Stellen wieder attraktiv. Mit dem Zuzug in diese Positionen beginnt der Kreislauf von neuem. Dasselbe Bürgergeld, das das
     Abstandsgebot um des »guten Lebens« willen ignoriert, verschafft ihm aus sich heraus Respekt.
    Ein Faktor fehlt in dieser Rechnung, und der verändert die Bilanz: der Anreiz zu technisch-technologischen Neuerungen. Wenn
     das Zusammenspiel von Bürgergeld und unterem Durchschnittseinkommen für beide tendenziell nach oben weist, in die Richtung
     solider Lebens- und Arbeitsverhältnisse aller Bevölkerungs- und Beschäftigungsgruppen, wenn selbst die Unterprivilegierten
     der Lohnarbeitsgesellschaft weitreichende Forderungen erheben können, |133| werden die Unternehmer keine Mühe scheuen, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Langfristig stabile oder gar steigende Löhne
     in den unteren Stockwerken der Arbeitswelt rufen ungewollt nach demselben Scharfrichter kapitalistischer Rationalisierung
     – verstärktem Einsatz von Sachkapital –, der schon die gehobenen Quartiere lichtete. Das zweifelhafte Vorrecht minder qualifizierter
     Arbeitsfelder, viele Hände rege zu machen, würde entweder auf diesem Weg oder durch die Auswanderung des Kapitals gebrochen,
     bei der es ohnehin den Anschein hat, als sei sie eigens dazu erfunden, die »Mindestlöhner« in Panik zu versetzen. 121
    Dieser Doppelstrategie erliegt das Bürgergeld. Es sichert das Leben aller unter erträglichen Umständen; mit der Aufgabe, gleichsam
     en passant der Aufweichung und Auflösung der Arbeitsverhältnisse entgegenzuwirken, ist es überfordert. Es kann diesen Prozeß
     verlangsamen, seine Auswirkungen dämpfen, den davon Betroffenen eine Atempause verschaffen, die es ihnen erlaubt, sich neu
     zu orientieren, immerhin. Unter den günstigsten kulturellen Bedingungen wirkt es als Lockmittel für die »Besserverdienenden«,
     als »Ausstiegsdroge« der Arbeiterelite; mehr bewirkt es nicht.
    6. Im zweiten Arrangement dient das Abstandsgebot als Prämisse aller weiteren Überlegungen. Der Durchschnitt der unteren Lohngruppen
     hebt sich markant vom Grundeinkommen ab und kennzeichnet es dadurch als Mindesteinkommen, als Dreisatz aus physiologischen,
     sozialen und kulturellen (Über-)Lebensmitteln. Der Ausstieg ist jetzt wirklich ein Abstieg, für alle Kategorien, auch die
     untersten, und entsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit, daß er zum Massenereignis wird. Das bezweckt das Bürgergeld
     als existentielles Minimum auch gar nicht. Es »überzeugt« die Geringverdienenden vom Vorteil der Lohnarbeit, rationalisiert
     die Bewirtschaftung der Arbeitslosen und lotst sie in den ersten Arbeitsmarkt zurück, ganz oder teilweise. Als aktive Reserve,
     die jederzeit in den Produktionsprozeß eingreifen kann, setzten die Arbeitslosen die Erwerbstätigen |134| gleich dreifach unter Druck. Ihr bloßes Vorhandensein zu Bedingungen, mit denen niemand tauschen möchte, ruft den Arbeitsbesitzern
     die Verwundbarkeit des Lebens ins Gedächtnis und hält sie von »maßlosen« Forderungen ab. Bewerben sich die Reservisten unaufgefordert
     um Vollzeitarbeitsplätze, sinkt deren aktueller Marktwert. Zapfen sie zur Ergänzung ihrer knappen Zuwendungen zusätzliche
     Erwerbsquellen an, so definiert ihr »Selbstbehalt« automatisch die neue Lohnnorm, zu der diese Arbeiten verrichtet werden
     können. Verdiene ich 500 Euro zum

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