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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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verderben wird; daß es die Quellen des Sparens versiegen läßt, das
     Akkumulieren von Kapital stoppt, den Aufschwung des Handels abwürgt, die Aktivität und den Fleiß der Menschen absterben läßt
     und schließlich eine gewaltsame Revolution über den Staat hereinbrechen läßt, wenn die Zahl der Almosenempfänger fast ebenso
     hoch geworden sein wird wie die Anzahl derer, die Almosen zu vergeben haben, und wenn der Bedürftige, der von den verarmten
     Reichen nichts mehr für seinen Unterhalt beziehen kann, es leichter finden wird, sie auf einmal ihrer Güter zu berauben, als
     sie um Unterstützung zu bitten« 127 .
    Der liberale Kanon aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ist bis in unsere Zeiten so ziemlich unverändert |139| geblieben. Allerdings wirkt er nach mehr als einhundert Jahren sozialstaatlicher Transformation des Kapitalismus wie das Gemurmel
     eines störrischen Greises, der die Welt um sich herum nicht mehr versteht. »Der Wohlfahrtsstaat entwürdigt, indem er Almosen
     verteilt«, schreibt ein Wirtschaftsredakteur einer angesehen deutschen Tageszeitung ohne das geringste Gespür für Heiterkeit. 128 »Hilfe, so finde ich, wirkt am besten als persönliche Geste«, bekennt Hans-Olaf Henkel und vermißt in gesetzlicher Existenzsicherung
     den »ethischen Wert«. 129 Daß solche abgestandenen, tief reaktionären Anschauungen überhaupt öffentliches Gehör und Verbreitung finden, sagt genug
     über die geistige Situation unserer Zeit.
    § 17 Der »Bürger« des Bürgergeldes
    1. »Bürgergeld« – ein Kompositum, zwei Lesarten. Die eine referiert den Drehpunkt des bisherigen Gedankengangs: Geld, das
     den Bürger sozial begründet, den MENSCHEN im Bürger fraglos anerkennt. Die zweite – der Bürger, der sich durch GELD begründet,
     im GELD erkennt – ruft eine andere Gestalt des gesellschaftlichen Lebens auf: den Eigentümer. Die gedankliche und praktische
     Unterscheidung zwischen Besitz und Bürgerrolle gehört einer späten Phase der Entwicklung an und ist keineswegs abgeschlossen.
     Für die längste Zeit der geschriebenen Menschheitsgeschichte annektierte der Eigentümer den Bürger, begriff er sich als Bürger
     par excellence. Zum Funktionär des Kapitalverhältnisses und dadurch zum Fanatiker der Arbeit konvertiert, sah er sich gezwungen,
     die simple Gleichung zu erweitern. Der kapitalistische Eigentümer blieb, was sein Stammbaum ihm verheißen hatte, ein Bürger
     hoher Güte – sofern sich sein Eigentum auf Arbeit zurückführen ließ. Es ließ sich zwanglos darauf zurückführen, wenn auch
     die Arbeit des Eigentümers von besonderer Güte war, wenn sie sich durch |140| außergewöhnliche Fruchtbarkeit auszeichnete. Und wie anders konnte das geschehen als durch die schicksalsblinde Fügung der
     Natur. Die stattete einen Teil der Menschen mit überragender Tatkraft aus, dank derer sie sich in derselben Lebensspanne mehr
     Naturstoff anzueignen vermochten als die Masse. Um dem Eigentum Dauerhaftigkeit zu verleihen, so daß es von einer Generation
     auf die nächste überging und sich stetig vermehrte, bedurfte es nur noch der Erfindung des Geldes. Einmal zu Geld geworden,
     kontinuierlich in Geldform akkumuliert, löste sich das Eigentum vom beschränkten Maß konkreter Arbeit. Die Arbeit des Eigentümers
     ist abstrakter, geldwertschaffender Art. Und es ist diese Arbeit, die den Bürger »macht«. Der wurzelt nur »ursprünglich« in
     gemeiner Arbeit; sein wahres Bürgertum im vollen Umfang seiner Rechte erwirbt er erst als davon freier Eigentümer. Das war
     die Position John Lockes. 130
    Jean Jacques Rousseau entlarvte diese Konstruktion, die den »Kapitalisten« und den »Bürger« fest liierte, als heimtückische
     Lüge. Der große Eigentümer wird niemals Bürger eines Staates sein, hielt er dagegen und gestand nur jenem Eigentum bürgerliche
     Qualitäten zu, das weiterer Arbeit bedurfte, um fortbestehen zu können. Die überschaubare Habe, geschaffen von Arbeit auf
     eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, prädestinierte ihren Besitzer zum Bürger und erst recht zum Citoyen. »Nur auf
     die Mitte erstreckt sich die ganze Macht der Gesetze; sie sind gleich ohnmächtig gegenüber den Schätzen des Reichen und dem
     Elend der Armen; ersterer vereitelt sie, letzterer entzieht sich ihnen, der eine zerreißt den Vorhang, der andere geht mitten
     durch.« 131 Der arbeitende Eigentümer allein ist wahrer Patriot, hängt mit allen Fasern seiner Existenz am

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