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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Wenn das Wort Reform noch eine Bedeutung besitzt, die den Herausforderungen der Gegenwart Rechnung trägt, worin sonst könnte
     sie liegen, wenn nicht in der Aufforderung zur Grenzüberschreitung des politischen Handelns. Einen sozial und rechtlich homogenen
     Raum zu schaffen, nicht gleich im Weltmaßstab, wohl aber im Verbund von Nationen, die solcher Angleichung aufgrund ihrer Vorgeschichte
     fähig sind, wäre der erste Schritt zu einer Wiedergeburt der Politik.
    Viele unserer »Reformer« verfolgen ein dazu diametrales Projekt. Statt den Raum der wirtschaftlichen Aktivitäten politisch
     zu integrieren, einheitlichen sozialen Normen und Regeln zu unterstellen, über das derzeit erreichte Niveau hinaus, betreiben
     sie seine Zersplitterung. Bundesländer, |198| Regionen, einzelne Landstriche und Kommunen sollen sich das ökonomische Konkurrenzprinzip zu eigen machen und um wiederum
     ökonomischer Vorteile willen miteinander in Wettbewerb treten. Die Nationen verwandelten sich in fein gerasterte Landschaften
     mit Sonderzonen und abgestuften Privilegien, wie zu Zeiten der Fürsten, Grafen und Barone, nur daß sie diesmal um die Gunst
     von Investoren buhlen. Der »kollektive Individualismus« gelangte in Europa ein zweites Mal zur Herrschaft, zum ausdrücklichen
     Wohlgefallen der Unternehmen, die nichts anziehender finden als soziale und rechtliche Gefälle. Politische Landkarten wären
     nur mehr Kataster, bloße Standortverzeichnisse ohne weitere Eigenschaften als die ihrer ökonomischen Verwertbarkeit. Das ist
     der Plan der neokonservativen-neoliberalen Staatsreform. Wo ist der Gegenplan?

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    |199| Die gestohlene Reform
    § 24 Konservatismus und Traditionalismus
    1. In seiner Komödie
Der Frieden
läßt Aristophanes einen attischen Weinbauern mit Namen Trygaios auf einem Mistkäfer zum Himmel reiten, zu den Göttern. Dort
     will er Zeus dazu bestimmen, den Krieg im Land der Griechen zu beenden. Doch ist der Göttervater nicht zu sprechen. Des irdischen
     Schlachtenlärms überdrüssig, der bis zu den Unsterblichen dringt, hat er sich in höhere Ätherregionen zurückgezogen und die
     Regierungsgeschäfte dem Kriegsgott Polemos übertragen. Der sinnt auf gänzliche Vernichtung der Kriegsparteien und sucht nach
     einem Stößel, mit dem er sie zermalmen kann. In seiner Abwesenheit ruft Trygaios einen Trupp griechischer Männer herbei, um
     die in einer Höhle eingesperrte Friedensgöttin Eirene zu befreien. Das Vorhaben glückt, und nachdem er, wieder auf der Erde,
     alle Mühe darauf verwandt hat, eine an Kriege gewöhnte Gesellschaft vom Nutzen friedlicher Beschäftigungen zu überzeugen,
     vereinigen sich alle zum Fest.
    Obwohl seit Solons Zeiten zu Reformen aufgelegt wie sonst kein Volk in dieser Hemisphäre, sucht man eine gleichnamige Göttin
     im Olymp vergebens. Auch spätere Epochen haben ihr keine Altäre errichtet, keine wiedererkennbare Gestalt verliehen. Dabei,
     wie leicht kann sie verlorengehen, schnöde gestohlen werden. Uns KAM sie abhanden, schon vor Jahren, und begegnen wir ihr
     heute: erkennen wie sie noch? Ihren Namen hat sie behalten, aber während ihrer Gefangenschaft nahm sie Wesenszüge an, die
     sie vor sich selbst erschrecken lassen. Wir kennen ihre Entführer, ihre Peiniger, ihr Elend: Sie ist unter die Reaktionäre
     aller politischen Lager geraten. – Haben die Übeltäter da nicht die falsche Braut gewaltsam heimgeführt? Sich blindlings im
     Opfer vergriffen, das sie nur vergewaltigen, aber niemals für |200| sich gewinnen können? So daß die Zurschaustellung der Beute das Publikum bekümmert, mit Wut erfüllt? – Sie ist, hoffen wir
     einstweilen ruhig das Beste, im Zwangsdienst nur ermattet und wartet sehnlichst darauf, erkannt und wieder zu sich selbst
     befreit zu werden. Sattle, Trygaios, noch einmal deinen Käfer, und sammle eine Schar entschlossener Bürger, die sie von ihrem
     Götzendienst erlöst!
    2. Unter allen einflußreichen politischen Strömungen der modernen Welt scheint der Konservatismus am wenigsten zu engagierter
     Reformpolitik aufgelegt. Seine demonstrative Traditionsverbundenheit, sein Vorbehalt gegenüber dem Universalismus, gleichen
     bürgerlichen bzw. sozialen Rechten für alle, unabhängig von Ethnie, Religion, Geschlecht, kulturellen Lebens- und Partnerschaftsmodellen,
     sein Leitkulturgeraune lassen auf Entwicklungsrückstand zu seinen beiden großen Gegenspielern schließen, zum Sozialismus und
     zum Liberalismus. Konservatismus und

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