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Buerokrankheiten

Buerokrankheiten

Titel: Buerokrankheiten
Autoren: Raymund Krauleidis
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wenige Wochen zuvor kam es in der schwäbischen Provinz zu einem ähnlich gelagerten Unglück: Der kräftig gebaute Chefeinkäufer eines Textilunternehmens aus dem Landkreis Reutlingen riss dabei gleich das ganze Telefon mit. Statt des Hörers allein klatschte er sich somit schwungvoll den kompletten Apparat ins Gesicht. Der eilig herbeigerufene Notarzt diagnostizierte eine mittelschwere Gehirnerschütterung sowie diverse Hämatome im Ohr- und Halsbereich.
    Verbreitung:
    Da sich die Innovation schnurloser Telefone in vielen Unternehmen noch nicht herumgesprochen hat: hoch!
    Verwandte Krankheiten:
    Büronostalgie, Privatitis
    Behandlungsmöglichkeit:
    Verdrehschutz (landläufig auch »Telefonkabelentwirrer« genannt)
    [Krankheitsverzeichnis]
    Druckdemenz
    (gr. amnesia papyri)
    Beschreibung:
    Unfähigkeit vieler Mitarbeiter, unter den zahllosen Dokumenten im Schacht des Etagendruckers die eigenen Printerzeugnisse wiederzuerkennen – bzw. sich daran zu erinnern, überhaupt etwas ausgedruckt oder kopiert zu haben
    Verwandte Krankheiten:
    Faksimile Dysfunktion
    Behandlungsmöglichkeit:
    Von: Haustechnik
    An: Alle Mitarbeiter
    Betreff: Druckerchaos
    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    aus gegebenem Anlass möchten wir Sie bitten, Ausdrucke/Kopien bereits bei der Entnahme aus dem Druckerschacht dahin gehend zu überprüfen, ob sie auch tatsächlich Ihnen gehören! Fremde Ausdrucke/Kopien sind sofort an die entsprechenden Kollegen auszuhändigen bzw. auf deren Schreibtischen zu hinterlegen!
    Können Dokumente nicht eindeutig zugeordnet werden, lassen Sie diese bitte im Schacht liegen – wir werden sie künftig einmal pro Monat zugunsten der gemeinnützigen »Aktion Datensch(m)utz« versteigern!
    Bislang können wir Ihnen folgende Einzelstücke anbieten:
    1 .) Ausdruck einer E-Mail der Kollegin B. Mayer an den Kollegen D. Huber (Betreff: » Love U, Schnäuzelbärchen«), gefunden in der Poststelle; Startpreis: 0 , 50 Euro.
    2 .) Kochrezept »Kalter Hund« ( 600 kcal/ 100 g), gefunden im Callcenter; Startpreis: 1 , 00 Euro.
    3 .) Auszüge der Personalakte von Herrn Steinmetz aus dem Marketing, gefunden in der Abteilung HR ; Startpreis: 1 , 50 Euro.
    4 .) SW -Ausdruck eines weiblichen Hinterteils in knapper Unterwäsche, gefunden in der Konferenzetage; Startpreis: 15 , 00 Euro.
    5 .) Vorstandsvorlage zum Thema »Personalabbau« (inkl. Hinweis: »Streng vertraulich!!!«), gefunden in der Vorstandsetage. Startpreis: 25 , 00 Euro.
    Frohes Bieten wünscht
    Ihre Haustechnik
    [Krankheitsverzeichnis]
    Duckmäusertum
    (lat. morbus papageius)
    Beschreibung:
    Neurotischer Zwang, auch als schwachsinnig erkannte Meinungen von Vorgesetzten und betrieblichen Alphatieren nachplappern zu müssen
    Symptome:
    Ehe die Betroffenen etwas sagen, mit dem sie bei ihren Kollegen und Chefs womöglich anecken könnten, sagen sie lieber das, was alle bzw. alle wichtigen Menschen im Unternehmen sagen – selbst wenn sie im tiefsten Inneren vom Gegenteil überzeugt sind.
    In der direkten Kommunikation fallen die Erkrankten insbesondere durch die regelmäßige Verwendung von Phrasen wie »Sehe ich genauso«, »Da gehe ich d’accord« oder »Ganz meine Meinung« auf. Gelegentlich bekommen ihre Kollegen diese Sätze selbst dann zu hören, wenn bislang noch niemand etwas Substanzielles zum Thema beigesteuert hat – beispielsweise in Besprechungen, in denen ausschließlich Duckmäuser zugegen sind.
    Neben ihrer Unfähigkeit zum offenen Widerspruch sind die Betroffenen zudem daran zu erkennen, dass sie ihre Arbeitsergebnisse stets von allen Seiten abgesichert wissen wollen. Nicht dass sie dem Vorstand womöglich etwas Falsches präsentieren (wobei »falsch« ihrer Definition zufolge lediglich bedeutet, dass es nicht der vorherrschenden Meinung entspricht).
    Erweist sich die vorherrschende Meinung im Nachhinein tatsächlich als falsch, verlieren die Erkrankten den Antrieb und ziehen sich frustriert zurück. Schließlich hatten sie von Anfang an gewusst, dass das schiefgeht – aber es hat sie ja keiner gefragt …
    Wissenschaftliche Bedeutung:
    Psychologen befassen sich unter dem Decknamen »Groupthink« gerne mit dieser Krankheit. Gruppen von eigentlich fähigen Personen treffen demnach schlechte Entscheidungen, weil jeder seinen eigenen Standpunkt an die vermutete Gruppenmeinung anpasst.
    Das Gegenstück zum Groupthink stellt die sogenannte »Schwarmintelligenz« dar, bei der ausschließlich aus intellektuellen Tieffliegern bestehende Teams gemeinsam plötzlich
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