Bufo & Spallanzani
er Herzspezialist war. Man sagte mir, der Arzt komme um zwei Uhr. Ich rief Minolta an und bat sie, in die Praxis zu gehen und mit der Behauptung, sie habe die erste Urkunde verloren, sich eine Abschrift zu besorgen. Ich verabredete mich mit ihr für halb drei am Kinoeingang.
Es war elf Uhr vormittags. Ich mußte die Zeit bis zum Treffen mit Minolta irgendwie herumbringen. Ich beschloß, Ceresso in der Brasilianischen Gesellschaft zum Schutz der Amphibien im Marquês-do-Herval-Haus in der Avenida Rio Branco, Ecke Avenida Almirante Barroso zu besuchen.
Eine Frau empfing mich.
»Sie wissen es noch nicht?«
»Was?«
»Dr. Ceresso hat sich heute nacht umgebracht. Der Ärmste.«
»Sich umgebracht? Dr. Ceresso? Das kann nicht sein. Ich habe noch gestern abend mit ihm telefoniert. Das muß ein Irrtum sein.« Ich konnte nicht glauben, was die Frau gesagt hatte.
»Er ist bei sich zu Hause aus dem Fenster gesprungen. Frühmorgens. Es ging ihm nicht gut, dem Ärmsten, er war sehr krank, wußten Sie das nicht?«
Schaudernd fuhr ich im berstend vollen Fahrstuhl nach unten; am liebsten hätte ich geschrien. Die Halunken hatten den armen Alten umgebracht. Ich war so blöd gewesen und hatte Zumbano erzählt, daß Ceresso mir bei den Recherchen geholfen hatte. Gut möglich, daß sie mich auch umbrachten. Ich mußte schleunigst irgend etwas unternehmen. Zur Polizei gehen? Mit Ribeiroles sprechen? Erst zu Ribeiroles gehen und dann zur Polizei? Ich war ganz durcheinander. Erst die Sterbeurkunde, entschied ich. Inzwischen hatte Zumbano bestimmt schon in der Gesellschaft verbreitet, daß ich verrückt sei. Dona Duda und Gomes würden jede Behauptung dieser Art bekräftigen. Meine Situation sah gar nicht gut aus. Vermutlich gehörte der Typ, der bei mir zu Hause gewesen war und gesagt hatte, er käme von der BNH, auch zu der Bande.
Ich rief zu Hause an, aber niemand nahm ab. Es war Viertel nach eins.
Wie langsam die Zeit verging! Um halb drei wollte ich mich mit Minolta treffen und mir die Sterbeurkunde geben lassen. Im Bus auf dem Weg nach Copacabana merkte ich, daß ich Selbstgespräche führte. Ich murmelte zwischen den Zähnen: Wie kann ich beweisen, daß Ceresso umgebracht wurde? Zuerst mußten die Verbrecher entlarvt werden, die direkt in der Panamericana saßen, das würde mir die notwendige Glaubwürdigkeit verschaffen, um verlangen zu können, daß man den Tod des Präsidenten der Brasilianischen Gesellschaft zum Schutz der Amphibien untersuchte.
Um zwei Uhr fünfundvierzig erschien Minolta vor dem Art Palácio. Als sie mich sah, fing sie schon von weitem an, erregt zu gestikulieren und Fratzen zu ziehen.
»Hast du die Bescheinigung bekommen?« fragte ich beklommen, denn ich spürte, daß irgend etwas schiefgegangen war.
»Nein, der Kerl hat gesagt, er hätte überhaupt keine Sterbeurkunde auf den Namen Ivan Canabrava ausgestellt, er wüßte nicht, wer das sei, und als ich böse geworden bin und ihn als Lügner beschimpft habe, sagte er zu seiner Helferin, sie solle die Leute vom Irrenhaus rufen. Ich habe weitergeschimpft:, und die Frau hat beim Irrenhaus angerufen und gesagt, eine Patientin hätte einen Psychose-Anfall in der Praxis. Da bin ich abgehauen, was sollte ich sonst machen?«
Mir kam eine glänzende Idee.
»Jetzt können wir nur noch eins machen«, sagte ich.
»Und was?«
Ich erzählte Minolta, was ich vorhatte.
»Das ist ja Wahnsinn«, sagte Minolta.
»Hilfst du mir?«
»Ja, natürlich helfe ich dir. Wo können wir die Sachen kaufen?«
»Dazu braucht man nur im Telefonbuch nachzusehen.«
»Wir brauchen auch einen großen Sack.«
»Ja, dann los, wir haben nicht viel Zeit.«
Es war Viertel nach vier, als wir am Friedhof São João Batista ankamen, beladen mit einem großen Sack, in dem sich eine Spitzhacke mit kurzem Griff, ein Keilhammer, ein Stechbeitel und eine Schaufel, ebenfalls mit kurzem Griff, befanden.
»Weißt du, wo der Mann begraben ist?« fragte Minolta. »Ich weiß, wo er nicht begraben ist. Ich war bei der falschen Beerdigung dabei; das Grab liegt in der Nähe von einem großen Mausoleum, ganz im Rokokostil, es ist leicht zu finden.«
Mein Plan sah so aus: Ich wollte das Grab freilegen und dann den Friedhofsverwalter, die Totengräber, die Presse, die Polizei, weiß der Himmel wen rufen, damit alle sehen konnten, daß das Grab leer war. Das würde einen Skandal von solchem Ausmaß geben, daß er nicht mehr vertuscht werden konnte, das Fernsehen würde darüber berichten, und
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