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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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Valon und Branko nahm Ilija keine Drogen. Stattdessen bewahrte er auf seinem Handy kurze Pornofilme auf, zum Beispiel einen, in dem ein Mann Sex mit einem Esel hat. Auf anderen Videos sind es vor allem Soldaten, die bei Schlägereien zu sehen sind. Ilija sagte, er mache sich nichts aus harter Pornographie, sie gefalle ihm nicht, und die Filme habe er nur zufällig nicht gelöscht.
    Als Minderjähriger hatte er eine Verwarnung bekommen, weil er mit dem Moped seiner Mutter ohne Führerschein gefahren war und gegen Verkehrsregeln verstoßen hatte. Über vier Jahre später, immer noch minderjährig, wurde er zu 20 Arbeitstagen wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt, er war mit 0,75 Promille im Auto seiner Mutter in eine Polizeikontrolle geraten und hatte versucht zu entkommen, war aber dabei mit einem anderen Auto zusammengestoßen. Die Strafe hatte er nicht abgeleistet, er hatte als Schiedsrichter zu viel zu tun.
    Ilija nannte Branko, der ein Jahr älter war, seinen »Paten«. Das bedeutete, dass er und Branko später jeweils Trauzeuge bei der Hochzeit des anderen sein würden, und außerdem hieß es, dass das Band zwischen ihnen tiefer war als das einer Freundschaft.
    Branko war von den dreien derjenige, dessen Leben am geregeltsten verlief, zumindest seit die Familie in der Schweiz war. Er bekam seinen Schulabschluss ohne große Schwierigkeiten und begann dann eine Lehre als Einzelhandelsverkäufer, die er nach drei Jahren abschloss. Er wurde ohne weiteres als Vollzeitkraft übernommen und arbeitete insgesamt seit fast fünf Jahren in demselben Geschäft, einem Supermarkt. Seine Kollegen wie auch sein Chef mochten ihn gerne und berichteten, dass er versucht habe, sich von den Mitarbeitern in der Fleischerei-Abteilung einiges abzuschauen und ihnen zur Hand zu gehen. Obwohl das nicht zu seinen Aufgaben gehörte, habe es ihm offensichtlich Spaß gemacht. Sie werteten es als Zeichen für einen gemäßigten Ehrgeiz, und das war ihnen sympathisch. Er sei ein ruhiger Typ gewesen, man habe sich auf ihn verlassen können, und wenn er aus sich herausging, dann habe er harmlose Faxen gemacht, ein großes Kind sei er gewesen. Niemand konnte oder wollte die Tat, an der er beteiligt gewesen war, mit ihm in Verbindung bringen. Der Personalchef wollte seine Stelle für ihn freihalten, aber das war nicht möglich, weil die Arbeitskraft fehlte; also wurde ihm zwei Monate nach seiner Verhaftung gekündigt. Über die Familie von Branko ließ sich nichts Besonderes berichten. Branko hatte keine Vorstrafen und keine Verwarnungen; am Feierabend und am Wochenende rauchte er manchmal Marihuana, ohne dass er deswegen auffällig geworden wäre. Bei den Kollegen aus dem Supermarkt hieß es übereinstimmend, der Umgang mit Ilija und Valon habe ihn verändert und ruiniert.

III.
Die Bergung

1
    Als er die Nachricht bekam, war er weit von zu Hause fort. Er war weit fort, in einer kleinen Stadt namens Santa Elena in den venezolanischen Bergen. Es war gegen die Mittagszeit, gerade noch hatte er seine Kleider in eine der Waschmaschinen gesteckt, jetzt saß er in dem Münzsalon auf einer Bank, hatte eine Flasche Bier neben sich und las in einer fünf Tage alten Ausgabe der Zeitung
La Razón
. Sein Handy piepte, auf dem Display erschien eine Mitteilung:
Liebster Jordi, etwas Furchtbares ist passiert
. Nur das.
    Der Absender war Patrizia. Was konnte so schlimm sein, dachte er, dass sie mir schreibt, aber nicht schlimm genug, um anzurufen.
Etwas Furchtbares ist passiert
. Er ignorierte einen flauen Anflug von Angst. In diesem Moment klingelte das Telefon in seiner Hand.
    Was sie sagte, klang klar und überraschend nah, sie hätte neben ihm stehen können. Er antwortete und hörte seine eigene Stimme mit einem Hall. Er konnte kaum sprechen. Er belauschte ein fremdes Paar, ein Gespräch, das nichts mit ihm zu tun hatte, dessen Sätze sich von ihm entfernten und einen Schmerz hinterließen, der ihm nur zufällig nahe kam, aber nicht sein eigener war.
    Ungefähr eine Stunde später fand Miguel ihn vor der Waschtrommel sitzend, von der er nicht wegsah, obwohl sie sich nicht mehr bewegte. Die Lauge war nicht abgepumpt worden, sie stand halbhoch im Bullauge, eine leuchtend rote Flüssigkeit, in der versunken die Kleider lagen. Miguel fragte scherzhaft: »De dónde salió toda esa sangre?« Als er keine Antwort bekam, beugte er sich vor und sah Jordi an – »qué te pasa amigo, tan temprano y ya borracho?« – und tippte gegen seine Schulter, wie um ihn

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