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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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hochklappte und mit wieselflinker Geste etwas darunter hervorzog und umgedreht auf den Tisch legte und Jordi dann schlau musterte, mit einem nur leicht bebenden Mittelfinger auf das Papier herunterstach, das zwischen den beiden lag, und nuschelte: »Weiß, was du willst, weiß schon Bescheid.«
    Wie alte Männer manchmal so etwas Fuchshaftes haben, dachte Jordi.
    »Da bin ich gespannt, Leoni«, antwortete er, das vertrauliche Du halb aufnehmend und zurückgebend.
    Zippo lächelte noch immer schlau, ließ Jordi nicht aus den Augen, drehte das Papier um, das sich als altes, braunstichiges Foto entpuppte, und benutzte weiter den Mittelfinger:
    »Ambrosius, Frisée, Zippo«, sagte er, und jedesmal klopfte der Finger auf eine Gestalt.
    Er sah Jordi lauernd an. Jordi sagte nichts. Zippo grinste, überzeugt, Jordi vollkommen überrumpelt zu haben. Das hatte er auch.
    »Walter Ambrosius, Fausto Frisée, Ermenogildo Zippo«, um die Namen vollständig auszusprechen brauchte er fast eine Minute, und seine Hand und das Foto waren mit feinen Tröpfchen übersät.
    »Ermenogildo Zippo, war das Ihr Großvater?«, fragte Jordi.
    Zippos Kopf neigte sich Richtung Brust und zuckte wieder hoch.
    Jordi nahm das Foto und sah es sich genauer an. Die drei Männer standen nebeneinander, alle trugen sie Anzüge, bis auf Ermenogildo, der in Hosen und Hemd war, die Ärmel hochgekrempelt, alle drei hatten schicke Hüte auf und sahen gutgelaunt Richtung Kamera. Es musste ein sonniger Tag gewesen sein, denn auf dem Boden waren deutlich ihre Schatten zu erkennen, die schräg nach hinten in Richtung einer Toreinfahrt zeigten, und auf dem Hof, auf dem die Männer sich offenbar befanden, gab es am rechten Rand einen ordentlichen Stapel Ziegel, linkerhand ragte das Ende eines Anhängers mit einer Ladung Bretter ins Bild. Sonst nichts. Jordi war ein wenig ratlos, Zippo dafür umso eifriger bei der Sache. Er sprach jetzt im Telegrammstil, um Zeit zu sparen.
    »Opa hat Baufirma. Ambrosius ist Architekt aus Zürich, baut mit Opa drei, vier Jahre in Ascona. Häuser gibts noch. Dann Frisée, 1935, kommt aus Paris, pleite –«, das Wort wiederholte Zippo gleich drei Mal, so wichtig war es ihm, »abgebrannt – blank, ja?«
    »Ja, ja«, Jordi nickte.
    »Aber –«, Zippo machte eine kunstvolle Pause, Speichel rann aus seinem Mundwinkel und tropfte auf den Tisch. »Frisée hat ein Auto!«
    »Den Bugatti?« Jordi war gespannt.
    Zippos Kopf kippte nach vorn. Der Mittelfinger tippte rhythmisch auf den Tisch, Jordi dachte, es hilft ihm beim Sprechen, es hilft ihm, es hilft ihm, wie kann ich ihm helfen zu sprechen.
    »Frisée ist ein –«, Zippo machte eine Handbewegung, die außer Kontrolle geriet, er wedelte in der Luft, Jordi verstand nichts.
    »Auch ein Architekt? Ein Bauherr? Was will er?«
    »Schül –«, verstand Jordi. »Ein Schüler? Er ist noch Schüler?«
    »Sch…itze… Schütz…or…litze öhr …«
    »Ein Schütze? Ein Schausteller? Schriftsetzer?«
    Zippo machte wilde Augen, hob beide Fäuste in die Luft, schleuderte Jordi schließlich mit gewaltiger Anstrengung ein Wort ins Gesicht:
    »HALLODRI!«
    Jordi wurde rot: »Ach, ein Schlitzohr!«
    Zippo wippte auf der Bank hin und zurück, lachte mit weit offenem Mund, zwinkerte Jordi zu oder versuchte es, bei ihm sah es so aus, dass er beide Augen zudrückte, sie eine Sekunde oder mehr geschlossen hielt, wobei er mit dem Zeigefinger auf Jordi zeigte.
    »Ein Schlitzohr«, freute Jordi sich nun auch. »Gut, Frisée war ein Schlitzohr.«
    »Lebemann, Weiberheld, Spieler«, das kam überraschend klar.
    Jordi nickte.
    »Sagt, er hat Bugatti gewonnen.«
    »Gewonnen? Wie gewonnen?« Jordi dachte an eine Lotterie, eine Tombola oder etwas in der Art, aber Zippo ließ ihn erst gar nicht weiterreden, er verneinte mit der Hand.
    »Poker. Frisée hat Bugatti beim Pokern von Dreyfus gewonnen.«
    Jordi musste nachdenken. Wenn das stimmte, hatte das Auto tatsächlich eine ungewöhnliche Vorgeschichte, oder Frisée war ein grober Aufschneider.
    »Dreyfus, der Rennfahrer?«
    Wieder kippte Zippos Kopf.
    »Von René Dreyfus, Paris, 1934. Tolle Nacht mit Champagner. Ein Jahr später. Frisée ist Schweizer, will von Paris zurück nach Genf, weil pleite. An der Grenze muss er Auto verzollen, aber hat kein Geld. Sie schicken ihn zurück. Er fährt über Italien, probiert es in Brissago, überredet, bleibt Zoll schuldig, kommt nach Ascona. Will das Auto zu Geld machen. Pokern, ja, aber ach, Ascona, wer spielt, niemand. Jetzt

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