Bugatti taucht auf
sieh sie dir an, die berühmten Wasserfälle … so lange haben sie gewartet, auch sie … muchos saludos, siempre Miguel
12
Es war eine Nacht in der zweiten Märzwoche, und Jordi ruderte in seinem kleinen grauen Boot auf den See hinaus. Wenn man sich eine gerade Linie dachte, die von der Rampe über den See hinweg ans andere Ufer Richtung San Nazzaro führte, dann war die Wrackstelle ungefähr zwanzig Meter von der letzten Reihe Ankerbojen entfernt. Es war also nicht weit, vielleicht siebzig Meter vom westlichen Seeufer und circa zweihundert vom nördlichen; Jordi brauchte den Motor nicht, und außerdem tat es ihm gut, die Ruder zu bewegen und damit seine Gedanken zu beruhigen; und er wollte die Anwohner nicht aus ihrem Schlaf schrecken, zumal – bei diesem Gedanken konnte er nicht anders, als einen belustigten Ton auszustoßen, aus dem ein Pfeifen, eine Melodie zu machen misslang – zumal er sie in zukünftigen Nächten oft genug aufwecken oder gar nicht erst zum Schlafen kommen lassen würde, vermutlich den ganzen Sommer über, die offizielle Genehmigung für die Bergung lief bis Ende August.
Er war an der Stelle angekommen, musste sich jetzt über dem Wrack befinden, das auf Grund lag. Er legte die Ruder ein und ließ das Boot richtungslos auf den Wellen treiben. Es war eine sternklare Nacht, noch kalt für die Jahreszeit. Er würde seine Kräfte einteilen und sich auf eine lange Zeitspanne einstellen müssen, in der er tagsüber seine Aufträge erledigen und abends und nachts an der Bergung des gesunkenen Autos arbeiten würde. Jordi blickte sich um. Er hätte die Silhouetten der Berge, die den See umgaben und ihn in den Kessel ihrer steilen Wände fassten, auswendig zeichnen können, so vertraut waren sie ihm. So steil sie zum See abfielen, so steil ging es unter Wasser weiter abwärts, in einer 45-Grad-Neigung zuerst, dann allmählich schwenkten die Wände in einen sanfteren Hang aus, aber eben wurde der Grund des Sees nie, an der tiefsten Stelle hatten sie 372 Meter gemessen, insgesamt war es eine Schlucht, die da unten auf sie wartete. Dieser Gedanke spornte Jordi jedoch eher an, als dass er ihm Sorgen bereitete. Sein Blick wanderte noch einmal die Bergketten entlang; der Generator würde viel Lärm machen, und nachts bei der allhaften Stille, die hier sonst herrschte, würde das Motorengeräusch sich in die Träume der Seeanwohner fräsen, so dass er froh sein konnte, wenn sie ihn nicht wegen fortgesetzter Ruhestörung bedrohten, seine Unternehmung zunichte machen wollten. Andererseits, und dabei pfiff er noch einmal vor sich hin, konnte er ohnehin von Glück sagen, wenn das sein einziges Problem sein würde.
13
Sie trafen sich am Samstagnachmittag; es war keine feste Vereinbarung, sondern ergab sich so. Genauer gesagt war es Jordi, der, wenn er an einem Samstagnachmittag Zeit hatte und ihm danach zumute war – wenn er also meinte, er könne einen Besuch nicht nur verkraften, sondern es sei ihm sogar möglich, den anderen durch seine eigene stabile Gemütsverfassung aufzurichten oder abzulenken –, bei Umberto vorbeifuhr. Umberto war meist zu Hause, und die beiden setzten sich, wie sie es bei Jordis erstem Besuch nach Lucas Tod getan hatten, ins Wohnzimmer und tranken zusammen ein paar Bier. Bei schönem Wetter öffneten sie die Tür zur Terrasse. Sie sahen sich die Sportnachrichten und das eine oder andere Fußballspiel an; manchmal kam Monica dazu und blieb eine viertel oder halbe Stunde bei ihnen sitzen, manchmal arbeitete sie im Garten, und oft hörten sie sie im ersten Stock umhergehen; wenn es regnete, setzte sie sich an den Computer und spielte mit sich selber Mahjongg, Stunde um Stunde. Eines Samstagnachmittags, während sie auf verschiedenen Sportkanälen herumzappten, sagte Umberto leise, so leise, dass er eher sich selber als Jordi zu meinen schien: »Ich kann Fußball nicht leiden.«
»Wie bitte –.«
»Ich kann Fußball nicht leiden.«
»Ach so.«
»Ich kann Fußball nicht leiden. Ich kann Fußball nicht leiden.«
Jordi sah beunruhigt zu Umberto, der aufrecht wie immer auf dem Sofa saß und geradeaus auf den Bildschirm schaute.
»Diese drei Jungs waren alle Fußballfans. Einer sogar Schiedsrichter. Er soll eine regelrechte Begabung als Schiedsrichter haben.« Umberto machte eine Pause, sah weiter auf den Bildschirm und lachte einmal auf. »Aber damit hat es nichts zu tun.«
Jordi schwieg.
»Jetzt wollen sie ihn aus dem Fußballverein ausschließen.«
Jordi machte eine
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