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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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Ambrosius. Leiht Frisée Geld, Frisée haut ab nach Genf, lässt Bugatti als Pfand. Steht bei Opa Zippo im Hof. Weiter. Ambrosius ist Charmeur, hat viele Frauen, viele. Verliebt sich in eine aus – ah, Australien, Kanada, weit weg. Aber verheiratet. Kuddelmuddel. Ambrosius lässt sich scheiden, Geliebte auch, beide weg. Auto vergessen. Bugatti – steht immer noch bei Opa Zippo.«
    Leoni war in Fahrt gekommen, er griff gierig nach der Kanne mit Kamillentee, schüttete sich die Flüssigkeit in den offenen Mund, ein Rest rann ihm übers Gesicht, er lachte, machte ein Geräusch aus dem Rachen, das klang wie fernes Gurgeln, ah –.
    »Zwei Jahre lang. Ein oder zwei Jahre steht Bugatti da. Ich erinnere genau. Ganz genau. Kleiner Junge, damals, acht, neun. Bugatti steht im Hof, ist meine Katze drin. Kriegt Junge auf dem Sitz. Ich gehe da hin jeden Tag. Spiele mit den jungen … Jungen Katzen. Ja.«
    »Und Sie sind sicher, dass es ein Bugatti war.«
    Zippo verzog das Gesicht, tat kurz, als ob er böse wäre, lachte dann wieder.
    »Hast du –«, sagte er und richtete seinen Zeigefinger auf Jordi, »schon mal Bugatti gesehen, alte blaue Kiste, real?«
    »Nein«, musste Jordi zugeben.
    »Ist nicht zu verwechseln. – Entschuldige.« Zippo tauchte mit einer Hand unter den Bankdeckel und holte ein Küchentuch hervor, mit dem er sich rasch über Gesicht, Haare und Hals fuhr, und das er dann ebenso hurtig wieder in der Sitztruhe verschwinden ließ.
    »Dann. Kommt Zoll. Zoll ist nicht bezahlt, Auto steht im Hof bei Zippos. Opa sagt, hat Frisée gehört, der lässt es Ambrosius als Schuldpfand. Bei mir steht es herum, und die Katze kriegt drin Junge.« Zippo lachte.
    »Zoll sagt, wo ist Frisée, wo Ambrosius. Opa, weg weg, beide.«
    Zippo bewegte seine Handflächen gegeneinander, vor und zurück, wie sich streifende Blätter.
    »Zoll sagt, Opa soll zahlen. Opa, ist doch nicht mein Bugatti. Zöllner und Opa kennen sich. Zöllner ist Aldo. Aldo sagt, Auto muss da hin, wo’s herkommt oder verschrotten.«
    Jordi nickte wieder, verstanden.
    »Jetzt Vorschlag Aldo. Praxis Zoll«, Zippo sah Jordi mit bedauernder Miene an und öffnete weit seine Arme.
    Jordi stieß Luft aus: »Sie lassen das Auto im See verschwinden, haben weiter keine Arbeit und das Problem ist gelöst.«
    Zippo haute die Faust zur Bestätigung auf den Tisch, mitten in die Kamillenteepfütze.
    Und dann griff er sich unvermittelt Jordis Weinglas, das der gerade vollgeschenkt hatte, und kippte den Inhalt auf einmal hinunter, zielgerichtet und sicher, ohne das kleinste Zittern.
    Er musterte Jordi herausfordernd.
    »Das war’s.«
    Jordi musste sich vergewissern.
    »Sie haben also das Auto zusammen zur alten Rampe geschoben und dort im Wasser versenkt. Und durch das abschüssige Gelände und die Strömung ist es ein Stück weiter in den See hinausgetrieben, wo Rita Baldi es dreißig Jahre später zufällig beim Tauchen entdeckt hat.«
    Zippo zielte mit seinem Zeigefinger auf Jordis Brust und machte ein Geräusch mit vollen Backen, als ob er schießen würde.
    »So war das«, sagte Jordi.
    Zippo saß ganz ruhig, nur sein Kopf wiegte sich leicht hin und her.
    »Ja. – Ja. – Ja.« Das sagte er dann sehr deutlich, sehr klar, hintereinander, wie ein Indianerschamane, der seine magische Erzählung bekräftigt, die einmal wichtig sein wird für die Überlieferung und Einhaltung der Rituale.
    Jordi stellte in diesem Moment fest, wie sehr er den alten Mann mochte. Sehr. Vielleicht, weil er ihn an seinen Vater denken ließ, der zu Hause im Bett lag und mit jedem Tag schwächer wurde, und weil er sich kaum vorstellen konnte, wie es wäre, wenn er nicht mehr am Leben wäre. Jordi wünschte sich, er würde später in dem Alter, in dem man ungestraft unehrenhaft sein durfte, auch die Leute hemmungslos bespucken und grotesk unrührselig sein, auf eine Art, die sicher weiß, dass man anderen nichts mehr, sich selber aber alles schuldig ist.

11
    Im März kam eine Postkarte von Miguel. Darauf stand:
    Ciudad Bolivar, 21. Februar
    Ich sitze am Ufer des Orinoco und sehe in den Fluss und sehe
in den Himmel. Ich, Miguel, Reporter der Últimas Noticias, Historiker, Fremdenführer und Zimmervermittler in einer Person, warte auf meinen Freund Jordi – denn ein Freund ist er geworden in all der Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben. Wenn er gekommen sein wird, werde ich mit ihm in eine kleine Maschine steigen und nach Angel Falls fliegen, endlich. Da sind sie, würde ich sagen, da sind sie,

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