Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
Vom Netzwerk:
zu tun
. Manuel:
Um was zu tun? Was? Er hätte auch bisher jeden verdammten Tag sterben können, einfach so, an jedem einzelnen Tag hätte er sterben können, durch irgendwas, ohne dass irgendwer es vorher geahnt hätte
. Und darauf würde Jordi nicht weiterwissen, weil er Manuel zu nichts zwingen wollte. Sie hatten jeder eine andere Idee vom Tod, schien ihm. Auch darauf hätte Manuel eine zynische Antwort parat.
    Trotzdem wollte Jordi mit ihm reden, er war nicht gleichgültig genug, es nicht zu tun.
    An einem Donnerstagabend, nachdem er vier Stunden lang Schlamm vom Grund des Sees gesaugt hatte, fuhr er zu Manuels Wohnung. Dani öffnete.
    »Hallo Jordi. Manuel schläft schon.«
    »Weck ihn auf. Sag ihm, sein Vater ist gestorben.«
    Dani sah Jordi mit offenem Mund an. Ungefähr zwei Sekunden lang.
    »Wann.«
    »Vorhin.«
    »Wie … was hatte er …«
    »Los, sags ihm. Krebs.«
    Dani ging wie ferngesteuert fort und ließ Jordi in der Tür stehen.
    Er hörte sie gedämpft reden, dann tauchte Manuel im Flur auf.
    »Erzähl kein’ Scheiß.«
    Jordi zuckte die Schultern.
    »Was –«, Manuel begann zu jammern. »Was is los, Mann –.«
    »Stell’s dir einfach nur vor«, sagte Jordi, drehte sich um und ging. Manuel nölte weiter in seinem Rücken. Jordi wandte sich im Gehen noch einmal um.
    »Wenn du wissen willst, ob’s wahr ist, kannst du ja hingehen und nachsehen …«
    Der Junge war hinter den Eltern in der offenen Tür aufgetaucht, er schlüpfte zwischen Danis Beinen durch und winkte seinem Onkel zu.
    Jordi fuhr nach Hause und überlegte unterwegs, was das Kind gehört hatte. Das Kind war sieben; und obwohl die Schrecken der Vergangenheit vorbei waren, ertappte Jordi sich manchmal dabei, wie er das Gesicht des Kindes musterte, ob Spuren davon sich in ihm finden ließen. Das Gesicht des Kindes sah nichtsahnend aus und, natürlich, unschuldig, aber Jordi war mit dieser Unschuld nicht zufrieden; sie tat ihm an irgendeiner Stelle seines Körpers weh. Es tat ihm weh, sie zu sehen. Er wusste nicht, warum. Flüchtig dachte er, wie ungleich die Gnade der Unwissenheit verteilt war, wenn es denn eine Gnade war. Denn, dachte Jordi, was ist die Unschuld anderes als Unwissenheit. Sehen und nicht erkennen, was man sieht.
    Er dachte daran, wie das Kind gerade auf die Welt gekommen war und Manuel und Dani geheiratet hatten, einige Wochen nach der Geburt. Ein Schwindelgefühl überkam ihn wie an dem Tag, als er von der Reise zurückgekehrt und am Flughafen ausgestiegen war. Er hielt vorsichtig am Straßenrand, lehnte sich im Sitz zurück und ließ das Fenster herunter. Damals hatten die Eltern, Emile und Barbara, versucht, das Sorgerecht für den kleinen Jungen zu bekommen. Sie fürchteten, Manuel würde rückfällig werden. Das hatte Manuel ihnen nie verziehen. Er brach jeden Kontakt ab. Jordi sah aus dem Wagen, er war auf der Via Cantonale; wenn er sich umdrehte, konnte er den See sehen, vor ihm im Abendlicht lag der kleine Sportflugplatz des Magadinotals. Er dachte an Miguel und nahm sich vor, ihm endlich zu schreiben.

23
    Nicht immer brauchte Jordi die Hilfe der Taucher. Er hatte die Unterwasserkamera, die er in einigem Abstand neben dem Saugrohr hinabließ und die so beweglich war, dass er oben auf dem Bildschirm alles in den Blick bekam, was im Umkreis geschah; sollte irgendetwas passieren, würde er den Kompressor sofort abschalten können. Der war jetzt auf eine niedrige Druckstufe gestellt, bis Jordi herausgefunden hatte, wo genau die Umrisse des Wracks waren und in welchem Abstand er es freilegen musste, damit sie es nicht beschädigten. Der Sauger hing stundenlang über derselben Stelle; sie nahmen an, dass das Auto tatsächlich auf der linken Seite lag, und der allmählich darum herum entstehende Graben sollte mutmaßlich bis zu dieser Unterseite reichen. In einem zweiten Arbeitsgang würden sie das Wrack vorsichtig mit Hilfe von Wasserdruck von den Schlammresten befreien, und was danach noch abzutragen und wegzukratzen wäre, müssten sie per Hand erledigen. Bisher war jedoch nur zu ahnen, vor welchem Teil des Autos sie gerade arbeiteten. Oben wurde der Schlamm mit Getöse aus dem Rohr geschleudert und je nach Windstärke näher oder weiter auf der Wasseroberfläche verteilt, von wo er gemächlich wieder nach unten sank. Um das Saugrohr weiterzurücken, mussten sie die ganze Plattform bewegen, das hieß, die Verankerung an allen vier Seiten neu ausrichten. Zwischendurch fuhr Jordi allein hinaus, meist am Abend,

Weitere Kostenlose Bücher