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Bugatti taucht auf

Bugatti taucht auf

Titel: Bugatti taucht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Loher
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mehr ein Husten und Räuspern diesmal, verlegen, er hustete seine Angst weg, die Verzweiflung. »Stell dir vor, mein Sohn wird Leutnant, und er sagt, das ist der glücklichste Tag in seinem Leben.« Umberto waren die Tränen in die Augen geschossen, aber die gefalteten Hände kneteten einander, und er behielt sich in der Gewalt; nur Jordi war dem Ansturm dieser unausgesprochenen Fragen nicht gewachsen, er wusste keine einzige Antwort, er wusste kein einziges Wort, das er Umberto sagen könnte. Er dachte, ich bleibe hier, ich bleibe hier neben ihm sitzen, ich lüge nicht, ich verstehe ihn nicht, ich verkrieche mich nicht, ich laufe nicht weg; ich bleibe hier und höre ihm zu, ich sehe auf meine Hände, ich wäre gern ein anderer.
    »Das Militär verändern, von innen.« Wieder lachte Umberto, ein alter Mann, eine alte Frau in seiner Stimme.

26
    Emile starb am ersten Samstag im Mai. Er starb eine Woche, nachdem Jordi und sein Team die Räder auf der rechten Seite des Autos freigelegt und Fotos davon an einen Mann namens Bronski ins Waadtlandt geschickt hatten, einen Fachmann für Oldtimer, den Jordi ausfindig gemacht hatte; er starb genau an dem Tag, an dem Bronskis Antwortbrief eingetroffen war. Am Mittag saß Jordi damit am Bett seines Vaters und gab dem Drang nach, ihm zu erzählen, dass das Auto, das sie im Begriff waren zu bergen, tatsächlich ein Bugatti war; er wusste nicht, ob Emile ihn hörte, ob er ihn verstand. Immer noch wollte Jordi ihm vermitteln, dass die Dinge einen guten Weg nahmen.
    Barbara kümmerte sich um die Formalitäten, den Sarg, die Trauerfeier. Sie war vorbereitet und es lenke sie ab, sagte sie. Manuel kam mit Frau und Kind zur Beisetzung. Die Brüder standen einträchtig rechts neben Barbara, die Trauergäste kondolierten der Reihe nach, zuerst ihr. Jordi war froh, als das Begräbnis vorbei war. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie Emiles Leichnam verbrannt und die Asche auf dem See verstreut. Sie wären hinausgefahren mit allen Verwandten und Freunden und jedem, der gerne dabei sein wollte, den Priester hätten sie sich sparen können, sie wären hinausgefahren und hätten gefeiert bis in die Nacht hinein und durch die Nacht hindurch, ein trunkenes Schiff, und erst am Morgen, bei Sonnenaufgang, hätten sie einen roten, einen glühenden, einen lichtdurchdrungenen und friedlichen Moment abgewartet, und dann hätten sie seine Asche in den Wind, gegen das Licht geworfen … mitten auf dem See, dem Ort, an dem er am liebsten war und die meiste Zeit verbrachte, mehr als zu Hause. Das hätte ihm gefallen. Aber vielleicht hätte es auch nur Jordi gefallen, denn schließlich und endlich hatte Emile es mit Barbara anders vereinbart, und sicher nicht, um es ihr bequem zu machen. Vielleicht kannte Jordi ihn nicht gut genug, hatte ihn nie gut genug gekannt. Seinen Leib in die Erde zu betten, auch wenn der Sarg ihn umgab und zwischen ihn und die Erde eine dünne Schicht Holz und Stoff gelegt war, schien Jordi jedenfalls irgendwie unpassend, unangemessen für einen, der das Land so wenig und das Wasser so sehr gemocht hatte.
    Manuel saß noch lange mit seiner Mutter im Gasthaus; sie saßen sich stumm gegenüber, an einer der langen Tafeln, jeder mit einer längst leeren Tasse vor sich; sie sahen einander kaum an, aber ihrer beider Hände vollführten kleine Bewegungen mit geleerten Zuckertütchen, Löffeln und auf dem Tisch liegenden Kuchenkrümeln, ohne sich nahezukommen, ohne sich zu berühren; sie schienen einfach nur dem Bedürfnis nachzugeben, dort beieinander zu sein, und die Mutter stand lange nicht auf und ging lange nicht nach Hause. An einem Tisch im Eck spielte Dani mit dem Jungen, der spät einschlief und auf die Bank gebettet wurde.

27
    Jordi wusste nicht, wie oft er nach Mulhouse gefahren war, Manuel aufgestöbert hatte, sein Gesicht gewaschen, seine Wunden verarztet, seine Kleider gewechselt und ihn wieder nach Hause gebracht. Nach Hause. Aus seiner eigenen Sicht hatte Manuel kein Zuhause mehr, würde es nie mehr haben. Aber er hatte gelernt, es an einem Ort auszuhalten. Das war für ihn ein Fortschritt.
    Einmal suchte Jordi nach ihm in einem der Häuser im Zentrum. Durch die Wohnungstüren drang Musik, die Jordi für algerischen Rap hielt, es roch nach Hühnerfleisch, Anis und einem scharfen Reinigungsmittel. Die Wohnung, zu der Jordi sich schließlich Zutritt verschaffte, war dunkel, das Licht kam von draußen, von der Straßenlaterne. Er sah Manuel in einer Ecke auf dem Boden

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