Bugschuß
Bug eines der Boote, ein Gig-Doppelvierer, habe ich mich belehren lassen. Der andere aber hat einen der Ruderer gestreift. Es hätte Schlimmes passieren können! Es ist schwer zu beurteilen, ob die Schüsse gezielt abgegeben wurden, oder nicht. Wenn der Schütze wirklich nur das Boot treffen wollte, war der erste Schuss sauber gesetzt. Der zweite passt allerdings nicht dazu. Umgekehrt ist es ebenso. Es sieht eher so aus, als wollte jemand …«
»… nicht unbedingt treffen, jedenfalls keinen Menschen?«, führte Itzenga den Satz zu Ende.
»Alles Vermutungen«, sagte Eilsen und musste sich räuspern, was dazu führte, dass er nicht weiter sprach.
»Warum kein dritter Schuss?«
Eilsen reagierte verdutzt.
»Dritter Schuss? Fragen Sie mich nicht. Wenn wir das alles wüssten.« Eilsen klang frustriert. »Und das ist es eben, wir brauchen unbedingt Fortschritte in den Ermittlungen, deshalb …«
»… rufen Sie mich an und meinen, ich könnte helfen? Ich glaube nicht, Herr Eilsen. Sie haben mit Ulferts einen kompetenten Kommissar und andere fähige Leute.«
»Ihr Urteil über die Kollegen in allen Ehren, aber Kommissar Ulferts …«
»Mir scheint, ich habe den Fehler gemacht nicht rundheraus abzulehnen, als Herr Ulferts mich angerufen hat.«
»Bitte, Frau Itzenga, er hat angedeutet, dass Sie jetzt gerade sehr fehlen. Er hat nur erwogen, Sie könnten eventuell … zumindest ein paar Ratschläge geben. So mit Blick aus der Distanz, im wahrsten Sinne des Wortes! Natürlich geht Ihre Gesundheit vor, aber wir haben uns gedacht, Sie könnten womöglich mal ein Auge auf den Fall werfen.«
»Ich bin in Kur und da möchte ich bleiben«, sagte die Hauptkommissarin bestimmt, bemerkte jedoch, dass zwei Herzen in ihrer Brust schlugen. Einerseits schmeichelte es ihr; sie wurde gebraucht, die Kollegen konnten nicht einmal das Ende ihrer Kur abwarten, so sehr ersehnten sie ihre Rückkehr. Andererseits war sie wütend, eben weil sie sie aus der Ruhe auf der Insel herausholen und wieder in die miefige Umgebung der Verbrechen holen wollten.
Die Hauptkommissarin ging nicht weiter auf die Äußerungen ihres Vorgesetzten ein, sondern änderte die Gesprächsrichtung: »Ich lese Zeitung, der Fall schlägt Wellen. Man diskutiert offenbar, ob man am Großen Meer überhaupt noch sein Wochenende verbringen kann, erst recht als Wassersportler – und davon gibt es da nun mal sehr viele. Die Zeitungen und Regionalsender berichten regelmäßig, aber …«
Eilsen unterbrach sie: »Genau. Das Aber bereitet uns Sorgen. Denn wen fragt man? Uns, die Polizei. Wir müssen schließlich Erklärungen liefern, aber, Frau Itzenga, wir haben keine! Wenn Sie also so etwas sagen wollten wie ›… aber bislang gibt es offenbar keine Spur‹, haben Sie völlig recht – mit der Bitte um Verschwiegenheit, versteht sich!«
»Das sind alles Argumente, Herr Eilsen, die mir zeigen, wie froh ich sein kann, hier auf der wunderschönen Insel Juist zu sein«, antwortete Itzenga.
»Frau Kollegin, ich verstehe Sie und wäre selbst gerne dort, Sie wissen, auch ich bin Fan der ostfriesischen Inseln, habe sie mittlerweile alle besucht und jede hat ihren eigenen Reiz. Wir bräuchten Sie jedoch hier, ganz dringend! Ich meine das ehrlich. Ich verstehe Ihre Situation und ich bin zu vielen Zugeständnissen bereit. Wenn Sie sich durchringen könnten, wenigstens für ein, zwei Tage nach Aurich zu kommen, um die Ermittlungen zu unterstützen. Vielleicht ist das ja sogar ganz gut – so ein schrittweiser Wiedereinstieg, nicht gleich in die Vollen!«
»Ich bin mir da nicht so sicher …«, Tanja Itzengas Stimme war sehr leise geworden, und es war nicht herauszuhören, ob die Polizistin eher in die eine oder die andere Richtung dachte.
»Ich tue das nicht gerne, liebe Frau Itzenga …«
Itzenga dachte: Jetzt wird’s ernst, so ist er nur in Ausnahmefällen. Doch es tat durchaus gut, wie der Polizeipräsident flötete, um sie dazu zu bringen, vorzeitig aus der Kur zurückzukehren.
»… aber ich sehe ein, dass es eine echte Bereicherung des Ermittlungsteams wäre, wenn Sie, sagen wir mal, Ihre Einschätzung der Dinge einbringen könnten. Ich betone nochmals: Wir können über Ausgleichsmaßnahmen sprechen.«
»Ausgleichsmaßnahmen? Die kenne ich nur aus dem Naturschutz.«
»Nun, Sie haben die Kur verdient – die Zeit, die Sie Juist vorzeitig verlassen, können Sie selbstverständlich nachholen, und zwar unabhängig von dem Urlaub, der Ihnen rechtmäßig zusteht. Außerdem
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