Bugschuß
kollegial, wollte ich schon letzte Woche machen.«
»Ganz vorsichtig, meinetwegen«, stimmte Eilsen zu, dem es insgeheim sehr zusagte, wenn die Hauptkommissarin ihre Erfahrung in den Fall einbringen könnte. Der Polizeipräsident setzte mit etwas verschmitzter Miene hinzu: »Aber mal unter uns, Ulferts«, Eilsen näherte sich seinem Mitarbeiter, »Sie sind Kommissar – wieso wollen Sie unbedingt Frau Itzenga wieder vor die Nase gesetzt bekommen? Die lässt sich so leicht nichts sagen, Sie kennen sie!«
Ulferts wurde für einen Moment etwas verlegen. Vielleicht erschien es Außenstehenden etwas seltsam, dass er Tanja Itzenga derart herbeisehnte. Hatte der Präsident da eventuell Vermutungen? Er beeilte sich, eine Begründung zu liefern: »Die Fälle in der Vergangenheit haben einfach gezeigt, dass Frau Itzenga und ich uns hervorragend ergänzen – das wollen sie sicher nicht bestreiten?«
»Nein, nein, ich stimme Ihnen zu«, Eilsen sah Ulferts eindringlich an, dann wendete er sich ab und fuhr fort: »Damals der Pfusch am Deich, dann der Doppelunfall an der Landstraße in der Krummhörn, die ein oder andere Sache noch … Nein, sie sind ein gutes Team, zweifelsohne.«
»Die Firma dankt!« Etwas anderes fiel Ulferts zu diesen lobenden Worten nicht ein.
»Rufen Sie Frau Itzenga an. Mal sehen, wie sie überhaupt reagiert. Aber wenn sie auf die restlichen zwei Wochen Kur besteht, können wir nichts machen, Herr Ulferts.«
»Nein, natürlich nicht. Aber im Moment drehen wir uns im Kreis. Es fehlt ein zündender Gedanke.«
Ulferts selbst fühlte sich mittlerweile selbst ausgelaugt und fand seine Ermittlungen wenig ideenreich. Das behinderte das Vorankommen. Seine Mitarbeiter zeigten zwar Einsatz, doch oft waren sie zurückgekommen mit dem Hinweis, man hätte alles Mögliche herausgefunden, aber Weiterführendes wäre kaum dabei. Geschichten wie die von Aline Otten oder die über zu groß werdende Wasserrattenpopulationen hatten sie gehört, aber handfeste Hinweise gab es nicht.
Nur Eibe Kremers befand sich momentan im Visier der Polizei. Ulferts glaubte gleichwohl nicht, dass er absichtlich auf Menschen schoss. Zumal kein Motiv vorlag, von der Abneigung gegen Wassersportler abgesehen. Die reichte doch nicht aus, um auf jemanden zu schießen? Oder hatten Kremers und sein Berufskollege Otten einen gesoffen und waren auf abstruse Ideen gekommen? Vielleicht waren sie von den Ruderern provoziert worden? In Kombination mit Alkohol konnte das verrückte Handlungen nach sich ziehen. Der Fall an der Leybucht, damals – da hatte doch auch einer strumpelhackedick einfach auf Polderbewohner gezielt und beinahe eine Unschuldigen umgebracht. Einer, der vorher keiner Fliege etwas zuleide getan hatte. Und das sowohl Kremers als auch Otten immer einen Flachmann dabeihatten, war Aline Otten herausgerutscht. Aber auch wenn es so war, fehlten die Beweise. Die mussten her.
Ulferts bemerkte, wie sehr er im vergangenen Monat das fröhliche ›Moin Ulfert!‹ vermisst hatte, wenn Tanja zur Arbeit kam, ihre Tasche auf den Tisch ihres Büros warf, durch die Verbindungstür in seines kam und ihn anlachte.
Ulferts atmete tief durch, als er das Büro des Polizeipräsidenten verlassen hatte, und betrat sein eigenes. Die Verbindungstür zum Nachbarzimmer stand offen. Dort saß seine Vorgesetzte normalerweise. Jetzt erschienen ihm die Räume trist und leer.
13
Sein Leben hatte sich nach der Haft, dem Auseinanderfallen der Ehe und dem Zusammenbruch des Staatssystems total verändert. In dieser neuen, glitzernden, von Hinter-dem-Geld-Herhetzen geprägten Welt hatte er sich zunächst nicht zurechtgefunden. Altes über Bord werfen und durch Neues ersetzen, ja. Positives übernehmen, auch das. Aber sich einfach anschließen? Alles Gewesene auf die Mülldeponie der Geschichte werfen? Nichts behalten, außer dem Ampel- und dem Sandmännchen? Das hatten er und seine Mitstreiter nicht gewollt.
Aber er hatte sich mit der Realität arrangieren müssen. Er hatte die Heimat verlassen, eine befristete Anstellung in Bremen angenommen, diese aber vor ihrem offiziellen Ende aufgegeben. Er hatte an Kraft verloren, war antriebslos. Hatte sich erneut beworben, es fand sich kein Arbeitgeber. Den Beruf, den er erlernt hatte, gab es plötzlich gar nicht mehr und die meisten fragten irgendwann nach dieser Lücke im Lebenslauf. Haft, aus politischen Gründen. So holte ihn seine Vergangenheit immer wieder ein. Seinen Gefängnisaufenthalt positiv
Weitere Kostenlose Bücher