Bugschuß
Stornierungen vorliegen. Die Leute fahren lieber nach Schleswig-Holstein oder Meckpomm, da fühlen sie sich sicherer«, rief der Mann vom Hotel- und Gaststättenverband, dem DEHOGA. »Oder per Billigflug noch weiter weg. Und die Griechen schmeißen einem die Low-cost-Wochen all-inclusive bestimmt auch bald hinterher, wenn sie erst mal pleite sind!«
»Mal ehrlich, Herr Eilsen, würden Sie im Moment auf dem Großen Meer segeln, surfen, paddeln oder rudern?«, fragte der Sportverbandsvertreter mit zusammengekniffenen Augen.
»Ich …« Eilsen war in der Bredouille. »Ich verstehe Sie vollkommen. Aber Sie müssen auch uns verstehen. Ein vollkommen unerwartetes Ereignis, an einer Stelle, die wir nicht in null Komma nichts erreichen konnten. Dann noch Zeugen, denen man mitunter jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Aber selbstverständlich ist das für uns nur Veranlassung, weiterhin intensiv nachzudenken und …«
»Nachdenken? Denken Sie nicht zu lange nach, sonst bekommen Sie stapelweise Regressforderungen auf den Tisch, wenn die Hotels und Gaststätten bei uns pleite machen!« der Mann vom DEHOGA schien zusätzlich ein wenig Öl ins Feuer gießen zu wollen.
»Die Polizei können Sie ganz gewiss nicht in Regress nehmen!«, ereiferte sich Eilsen, was redete der denn für ein dummes Zeug.
»Nun malen Sie nicht gleich den Teufel an die Wand!«, mischte sich der Landrat in das Gespräch ein. Er wollte, dass schnell wieder Ruhe einkehrte in diese Region und alles seinen Gang ging.
»Teufel? Der sitzt irgendwo im Schilf, so scheint mir!«, erwiderte der Vertreter des Sportverbands.
»Meine Herren, wir sollten sachlich bleiben!«, fuhr Eilsen dazwischen, um die Zügel in der Hand zu behalten. »Sie können sich voll und ganz auf die Polizei verlassen. Wir ermitteln mit zahlreichen Beamten rund um die Uhr, um herauszubekommen, welche Verbindungen es zwischen den Schüssen und den Mitgliedern des Ruderteams gibt, es muss ja, wenn es nicht ein dummer Zufall war, einen Zusammenhang geben.«
»Beamte? Rund um die Uhr? Ist das nicht ein Widerspruch?«, ätzte der Hotel- und Gaststättenvertreter. Er schien langsam alle Hemmungen fallenzulassen, was seine Bemerkungen anbetraf.
»Und wenn das so ein Amokläufer ist? So einer, der einfach in irgendwelche Fenster schießt? Da war doch mal was in den USA. Und Norwegen, da auf dieser Insel Utøya, so grausam kann es zugehen, wenn Verwirrte frei herumlaufen! Solche Meldungen wollen wir hier nicht! Oder Heckenschützen, mal hier, mal da. Kein wirkliches Ziel, keine Verbindungen. Vielleicht sollten man mal dahin gehend recherchieren!«
Aha, lauter Kommissare!, ging es Eilsen durch den Kopf, gleichzeitig ärgerte er sich über die Tatsachenverdrehungen, denn der Täter von Utøya war kein Verwirrter gewesen. Aber es schien hier wie im Fußball zu sein, wenn am Samstagnachmittag Hunderttausende Trainer auf den Rängen und vor dem Fernseher saßen. Auf die Bemerkung mit den Beamten wollte er gar nicht erst eingehen. Er antwortete: »Natürlich gehen die Überlegungen auch in diese Richtung. Ich bin sicher, in ein paar Tagen haben wir erste Erfolge.«
»In ein paar Tagen haben wir weitere Stornierungen. Sie haben die touristische Entwicklung am und um das Große Meer herum auf dem Gewissen, wenn nichts passiert. Außerdem macht das die Runde – im Internet müssen Sie mal gucken. Da stehen hanebüchene Dinge! Da wird gechattet, getwittert und gebloggt, dass sich die Balken biegen. Ohne dass irgendjemand etwas weiß. Das ist Negativwerbung hoch drei!«
Immer diese maßlosen Übertreibungen, waren Eilsens Gedanken, bevor er entgegnete: »Eben! Und dem setzen wir Sachlichkeit, Augenmaß und professionelle polizeiliche Arbeit entgegen.« Eilsen war ein wenig lauter geworden, wie konnte man diesem Mann denn mal das Maul stopfen?
»Ich bin ganz der Meinung des Polizeipräsidenten«, pflichtete der Landrat bei, »ich habe vollstes Vertrauen zu unserer Polizei. Wir haben keinen Grund, dieses Vertrauen zu schwächen!«
»Wollen wir’s mal hoffen.« Der Sportverbandsvertreter sah auf seine Armbanduhr. »Ich muss los. Sitzung wegen der Sicherheitslage am Großen Meer und den Konsequenzen für den Wassersport. Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen, Herr Präsident!«
»Ich wünschte, diese Sitzung müsste es nicht geben. Bitte, nehmen Sie mit, dass wir alles tun, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Vielleicht war es ein einmaliges Ereignis …« Sogleich merkte Eilsen, dass
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