Bugschuß
mein Lieber, jetzt vergleichst du dich mit allen Männern. Entschuldige bitte, aber nur weil du zehn Jahre lang dieselben Oberhemden trägst und Jeans noch anziehst, wenn sie total verwaschen sind, trifft das nicht gleich auf alle Männer zu. Und zu den Fernsehserien: Diese Mischung aus Liebe, Arbeit, Leidenschaft, Schmerz, Not und Unsicherheit und die Menschen, zwischen denen sich all das abspielt – diese Mischung macht es aus. Das ist nämlich, von ein paar inszenierten Dingen abgesehen, nicht groß anders als das wahre Leben.«
»Na, ich weiß nicht.« Ulferts grübelte, ob er sich eigentlich jemals ernsthafte Gedanken darüber gemacht hatte, was in der Mode für Männer gerade up to date war. Wahrscheinlich hatte Tanja Itzenga recht: Ihm war das egal, anderen nicht. Hauptsache gewaschen und sauber. Aber man musste alle Seiten sehen. Vielleicht waren da nachvollziehbare Gründe, schließlich gab es etliche, die es sich schlicht nicht leisten konnten, jederzeit neue oder saubere Kleidung zu tragen. Man durfte nicht immer so schnell sein mit den Urteilen über die Mitmenschen! Kleidung war aus Ulferts’ Sicht jedenfalls nicht das Entscheidende im Leben. Die Kommissarin unterbrach seinen Gedankengang, sie war noch bei den Seifenopern, die immer wieder beste Einschaltquoten bekamen.
»Jeder findet sich irgendwo wieder in diesen Serien. An irgendeiner Stelle, in irgendeiner Szene denkt man: Genau das hätte mir passieren können oder: Das hätte ich in diesem Moment genauso gesagt oder getan. Das schafft Bezüge zum Zuschauer selbst – daher gucken das so viele.«
»Du hättest Fernsehkritikerin werden sollen.«
»Vielleicht. Dann hätte ich jetzt nicht das Problem mit diesen Ruderern und den Schüssen im Schilf!«
»Gibt’s was Interessantes? Hast du irgendetwas gefunden?«
»Ich sitze über den einzelnen Beteiligten. Die müssen wir uns alle wesentlich intensiver vorknöpfen. Neben den Hiesigen auch den Ossi.«
»Hä? Hiesige sind die Ossis!«
»In diesem Fall meine ich die Leute aus Ostdeutschland, nicht so Torftreter wie dich«, Itzenga sah ihren Kollegen herausfordernd an.
»Bist du nicht selbst so eine Ostgotin?«, reagierte er prompt. »So eine arme Sau aus Dunkeldeutschland?« Er lächelte überlegen.
»Fatzke! Typisch Wessi. Über Dinge fabulieren, von denen man keine Ahnung hat, aber immer den tollen Hecht markieren.« Sie beließ es dabei. »Jetzt mal im Ernst: Wer von uns befragt wen?«
»Wir sollten das zusammen machen. Hat sich in der Vergangenheit immer bewährt, Scharfsinn und weibliche Intuition plus mein Spürsinn für männliche Eigenschaften und Denkweisen.«
»Spürsinn?«, wieder lachte Itzenga Ulferts an.
Er erschauerte. Die von der Juister Sonne gebräunte Haut der Hauptkommissarin, ihr blondes Haar und die kleinen Fältchen um die Augen …
»Wie gehen wir vor?«, fragte er etwas verwirrt.
»Mal von Anfang an: Gernot Jande stammt aus Emden, Harm Wientjes aus Westermarsch bei Norden, wohnt aber auch schon seit längerem in Emden. Dietmar Stöwers ist ebenfalls Emder, seit ein paar Jahren jedenfalls, stammt aus Mecklenburg. Karl Kromminga wurde in Bremen geboren und wohnt da wieder, nachdem er einige Jahre Leeraner war. Außer denen ist da noch …«, Itzenga machte eine kurze Pause. Sie schien kurz zu überlegen, sprach dann weiter: »Es nützt nix, wir müssen so oder so alle befragen. Irgendwelche Anhaltspunkte müssen sich ja mal ergeben!«
Ulferts brummelte etwas Unverständliches vor sich hin. Tanja Itzenga deutete es als Äußerung der Unzufriedenheit ob der unbefriedigenden Sachlage.
»Ansonsten haben wir wohl nichts!« Ulferts sprach wieder halbwegs verständlich, atmete danach aus.
»Jande und Wientjes, Stöwers, Kromminga und Boomgarden«, Ulferts blätterte in der Akte, »Jande, Jande … kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Den Zweier können wir wohl außen vor lassen?«
»Der Schütze …«
»Oder die Schützin …«
»Meinetwegen. Er oder sie hat zwei Schüsse abgefeuert. Beide gingen ganz deutlich in Richtung des Vierers. Der Zweier war laut den Zeugen mehr als 20 Meter hinter dem Vierer.«
»Ich meine ja nur. Wir müssen alles durchleuchten. Ich habe einige weitere Leute darauf angesetzt. Über Wientjes wissen wir bereits allerhand, Stöwers und Jande sind keine unbeschriebenen Blätter. Zu Kromminga haben wir in Bremen um Amtshilfe gebeten, in Leer ist man dabei. Boomgarden ist seit drei Jahrzehnten recht erfolgreicher Betreiber eines kleinen
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