Bugschuß
Itzenga in einer Weise, die ihm zeigen sollte, dass sie nach vielen Jahren bei der Kripo keine Anfängerin mehr war. »Da muss er erst einmal sein sorgsam in Papier eingerolltes Gewehr wieder auspacken!«
»Wer weiß, vielleicht hat er auch eine Pistole oder einen Revolver?«
Die Polizisten liefen den Rand des Schilfstreifens ab. Der musste da irgendwo drin hocken.
»Ahlert, Sie bringen sich in eine verdammt ungünstige Situation!« Ulferts’ kräftige, dunkle Stimme musste weit hörbar sein. Tanja Itzenga hatte ihre Pistole gezückt. Die Schüsse aus dem Schilf lagen erst kurze Zeit zurück. Angesichts dieser völlig unerwarteten Handlungsweise Ahlerts musste man auf der Hut sein.
Ulferts und Itzenga drangen in das Schilf ein, sich gegenseitig Deckung gebend. Sie entdeckten eine Schneise. Es war deutlich sichtbar, dass soeben erst jemand die Halme abgebrochen hatte.
»Herr Ahlert, lassen Sie den Unsinn. Sie haben keine Chance. Selbst wenn Sie einen von uns kriegen, wir sind zu zweit. Denken Sie an Ihren Verein, Ihr Hobby – so verhält man sich nicht als Schützenbruder! Sie gefährden das alles!«, rief Ulferts. Leise fügte er an seine Kollegin gerichtet hinzu: »Der sitzt hier irgendwo, das hab ich im Urin!«
»Wenn da man drauf Verlass ist«, meinte sie nur, ihr Gesicht zeigte angespannte Züge.
Langsam bewegten sie sich vorwärts, die Situation war unübersichtlich, keine klare Kanten und Grenzen, nur Schilf, einige Weiden und unten Wasser und Matsch. Keine Deckung – wenn Ahlert sie im Visier hatte, könnte er sie glatt umlegen. Aber er wäre verrückt, das zu tun. Hatten sie nicht vor Kurzem erst ganz normal mit ihm gesprochen? Im Schützenverein, in der Meerbude? Er würde doch nicht plötzlich einfach durchdrehen?
Ein Schuss. Ulferts und Itzenga erstarrten. Wieder knallte es.
»Mann, sind Sie verrückt?«, schrie Ulferts. Ahlert musste ganz in ihrer Nähe sein. War der zu allem fähig?
»Vorsichtig jetzt. Vielleicht sieht er uns – ganz wie bei den Ruderern!«, gab Itzenga Ulferts zu verstehen.
Er nickte, sah nach rechts, versuchte, etwas in dem Dickicht zu erkennen. Schuhe und der untere Teil der Hose waren nass. Langsam kämpften sich die Kriminaler durch das Schilf. Eine Ente startete laut quakend aus ihrem Versteck. Kurz sahen sich Ulferts und Itzenga an und atmeten durch. Weiter!
»Oder sollen wir die Verstärkung abwarten?«, flüsterte Itzenga Ulferts zu.
»Ist vielleicht besser, was?« Sie waren stehen geblieben, horchten, die Waffen in zwei Richtungen haltend. Ahlert konnte nicht weit weg sein, hatte sie wahrscheinlich im Visier. Er kannte sich hier aus, sie nicht.
Ulferts Handy meldete sich. »Wo seid ihr?« Er flüsterte, musste aber zumindest laut genug sprechen, um die Geräusche des Windes im Schilf zu übertönen. Es stellte sich heraus, dass die Kolleginnen und Kollegen gerade erst an der Kneipe angekommen waren. Bis sie vor Ort waren, würde es noch ein wenig dauern. Er blieb hoch konzentriert, achtete auf alles, was ihn und die Hauptkommissarin umgab. Tanja Itzengas suchte mit den Augen langsam, aber höchst aufmerksam die Gegend ab. Wo steckte der Typ, verdammt noch mal?
Deutlich vernehmbares Knacken von Halmen erschreckte die Kommissare. Sogleich richteten Ulferts und Itzenga ihre Waffen in die Richtung, aus der die Laute kamen.
»Nicht schießen«, rief Ahlert, der noch nicht zu sehen war, »ich bin hier!« Die Stimme klang verzweifelt. Er richtete sich auf, kam auf sie zu, die Hände nach oben, in der einen das eingewickelte Gewehr haltend. Keine zehn Meter vor ihnen hatte er im Schilf gehockt.
Ulferts und Itzenga stürzten auf ihn zu, nahmen ihm das Gewehr ab. Lediglich der Abzug lag offen, am Lauf fand sich ein Loch im Packpapier.
»Sie Idiot, was war das denn für eine Nummer?« Ulferts war stinksauer.
»Das war’s dann wohl, Herr Ahlert!« Itzenga legte ihm Handschellen an.
»Haben Sie das Gewehr geladen eingepackt? Sind Sie eigentlich noch bei Trost?« Ulferts war außer sich.
»Hören Sie, Sie dürfen das nicht falsch verstehen …«, wimmerte Ahlert, doch Ulferts ließ ihn nicht ausreden.
»Ach nein?«, entgegnete er barsch, »natürlich nicht, das ist ganz normal, dass jemand bewaffnet ins Schilf flüchtet, vor der Polizei flieht, schießt, ganz normal, klar …«
»Ich bin nicht geflohen!«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Los, raus hier aus diesem Modder! So toll ist das nicht mit nassen Füßen und Hosenbeinen.« Ulferts wollte erst einmal in
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