Bugschuß
eine Sportpistole werden. Oft verfügten Offiziersdienstränge über eine solche Pistole. Der Geheimdienst hatte sie ebenfalls. Sie wurde auch als Geschenk vergeben, häufig an höhere Funktionäre der KPdSU«, Kampen machte eine kleine Pause. »Wohl zur Sicherung des Weltfriedens«, versuchte er, einen kleinen Gag einzustreuen, »oder so.« Der Mann von der Kriminaltechnik schmunzelte. »Ich vermute, dass allerhand Leute eine Korowin besaßen, und was aus all den Waffen wurde, die heute nicht mehr Eigentum des ursprünglichen Besitzers sind – wer will das heute noch nachvollziehen?«
»Aber sie kursierte vorwiegend im militärischen Bereich?«, fragte Ulferts.
»Nicht nur. Ich sagte ja«, Kampen fiel auf, dass Ulferts nicht alles behielt, was er sagte, »der eigene, aber auch die befreundeten Geheimdienste und politischen Funktionäre wurden damit beglückt. Sicher, die meisten dieser Pistolen gab es wohl beim Militär und beim KGB.« Kampen holte Luft und setzte nochmals an: »Durch die internationalen Verflechtungen der Geheimdienste gelangte die Pistole zu einem höheren Bekanntheitsgrad. Die hatten ihre Leute ja überall, in Ost und West. Und oft hat es niemand bemerkt – siehe Günter Guillaume, den die Stasi in höchste Kreise der Regierung Brandt eingeschleust hatte. Es gibt viele Fälle, die nie aufgeklärt wurden. Und nicht selten haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart, da ist sicher viel Geld geflossen. An der Glienicker Brücke wurden Agenten ausgetauscht, deren wahre Identität nie an die Öffentlichkeit kam. Die Grenze ging nun einmal genau durch die Mitte der Brücke, nur ein Schritt von Ost nach West und umgekehrt. Verrückt nicht? Heute fahren dort Autos und die Leute joggen fröhlich in beiden Richtungen hin und her.«
Ulferts sah den Mann erstaunt an. Er kannte ihn eher als schweigsamen, sorgfältig arbeitenden Kollegen. Dass er so ausschweifend erzählen konnte, war ihm bisher nicht bewusst gewesen.
»Ich muss gestehen, dass ich nicht allzu viel über diese Zeit weiß. Glienicker Brücke ist mir natürlich ein Begriff, aber da hört es beinahe auf. Ich bin eben weder Geheimagent noch Historiker«, meinte der Kommissar, »aber das heißt ja nichts weiter, als dass die ein oder andere Tulski Korowin ohne Weiteres ins westliche Lager gekommen sein mag, sogar zu Zeiten, als der Eiserne Vorhang noch fest verankert war.«
»Möglich ist alles«, murmelte Kampen, gedanklich wohl noch bei dem vorher Gesagten.
Ulferts ergänzte: »Besten Dank. Wir müssen somit nach Herkunftswegen von so einer Korowin suchen, wer hätte das gedacht.« Ulferts war sich bewusst, dass er nun zwar einen Hinweis auf die Tatwaffe hatte, diese Tatsache ihm aber nicht zwingend half, bei den Ermittlungen weiter zu kommen. Wie sollte man Kampens Erkenntnisse mit den bisherigen Ermittlungen in Übereinstimmung bringen? Man konnte wohl kaum plump fragen: ›Herr Kremers, haben Sie mal bei einem fliegenden, russischen Händler bei einem Besuch in Berlin eine Tulski Korowin gekauft? Herr Ahlert, da Sie offensichtlich illegal Waffen lagern, ist vielleicht eine Korowin TK darunter?‹ Ulferts schüttelte den Kopf bei diesen Gedanken: Haha! So würde es kaum gehen.
Die Hausdurchsuchung bei Ahlert, die nach seiner Festnahme erfolgt war, hatte zwar tatsächlich eine Pistole ans Tageslicht befördert. Die war aber offiziell registriert, hatte in seinem Waffenschrank gelegen und war eine Glock 34. Auch die Meerbude war durchsucht worden, doch hier schien außer dem Gewehr, das Ahlert hatte wegschaffen wollen, nichts weiter versteckt zu sein.
»Ich mach’ mich erst einmal wieder vom Acker, wir haben einiges zu tun und uns haben sie ja eine Stelle gestrichen, die Arbeit darf also die verbliebene Mannschaft miterledigen«, kündigte der Kriminaltechniker seine Absicht an, zu gehen.
»Tun Sie das«, entgegnete Ulferts und war ein wenig erleichtert, als Kampen den Raum verließ. Er rief dem Kriminaltechniker, der sich schon hinausbewegte, noch ein »Also nochmals, danke!« hinterher und wollte dann überlegen, was sich aus dem soeben Gehörten ergeben könnte.
31
Ulferts dachte über die sonderbare Pistole nach. Eine Waffe dieses Typs bekam man wahrscheinlich nur auf Floh- oder Schwarzmärkten oder bei irgendwelchen Online-Waffenmärkten. Außerdem würde ein Täter, der unentdeckt bleiben wollte, eine Pistole kaum im Waffenladen kaufen. Einen Handel im Internet konnte man natürlich nachverfolgen, aber wo stand der
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