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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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immer gleichen spermienähnlichen Kreaturen in expressionistischen Verrenkungen zu sehen waren, bei uns damals unter dem Generalverdacht stand, bei der Stasi zu sein. Er wohnte in einem winzigen Zimmer im Dachgeschoss des Krishna-Hauses, wo er von morgens bis abends Gitarre spielte, Bilder malte und nach Tatjana schmachtete, die in zwei ebenso winzigen Zimmern neben ihm wohnte.
    »War der nicht Journalist bei der Berliner Zeitung ?«, fragt Uwe.
    »Nicht, dass ich wüsste. Bei der Stasi war der doch.«
    Uwe lacht. »Da war doch jeder.«
    »Das wollte ich dich sowieso immer mal fragen«, sage ich, »damals, als wir den Frederike-Kempner-Abend gaben, und – wie du sagst und wie wir ja heute auch wissen – im Krishna-Haus alle bei der Stasi waren, einschließlich des Obergurus Eberhard, der ja sogar Karteikästen mit Namen und Adressen der dort Ein- und Ausgehenden geführt hat, aber auch Stasileute an der Ecke Nawrockistraße   /   Müggelseedamm postiert waren …«
    »Stimmt«, unterbricht mich Uwe nachdenklich. »Da waren auch Stasileute Ecke Nawrockistraße   /   Müggelseedamm, an denen mussten alle vorbei, die zu unserem Kempner-Abend wollten. War das nicht auch der Abend, als der dicke Krishna-Tänzer von nebenan kam und uns alle bezichtigte, Hare Krishna verraten zu haben?«
    »Nein«, sage ich, »das war Jahre später. Außerdem hatte der Typ ein riesiges Küchenmesser in der Hand, todesmutig habe ich mich da draufgeworfen.«
    Uwe ignoriert die Anspielung auf meine Heldentat, die nichts Geringeres als eine Lebensrettung war. »Genau. Ihr habt Krishna verraten, hat der gebrüllt, wie am Spieß, er war Sachse, irgendwo aus Leipzig, und hat versucht, uns alle zu erstechen.«
    »Frank Korb war da auch dabei.«
    »Bei dem Kempner-Abend?«
    »Zwei Jahre später, bei dem anderen Abend, als der Krishna-Tänzer kam«, sage ich und erinnere mich: Korb, der sich mit einer ihn begleitenden Dame auf dem einzigen Teppich in der Wohnung bereits zur Ruhe gebettet hatte, war von diesem Ihr-habt-Hare-Krishna-verraten-Geschrei aufgewacht und hatte, als der dicke Tänzer das Messer auch auf ihn gerichtet hatte, verwirrt gefragt: »Welcher Harry?«
    »Was haben wir da eigentlich gemacht?«, frage ich Uwe. »Die Krishna-Zeit war doch längst vorbei, das Haus praktisch leer. Der Andrej Greiner-Pol war doch da irgendwann aufgetaucht und hat Tatjana mitgenommen, die von da an statt der selbst genähten wallenden Gewänder nur noch Lederklamotten trug und von der Blockflötenspielerin zur Bassistin von Freygang wurde.«
    »Keine Ahnung«, sagt Uwe. »Vielleicht wollten wir nicht wahrhaben, dass es zu Ende war.«
    Eine kurze Pause entsteht, während der ich Uwe in irgendetwas beißen höre. Wir denken an all die Phasen, die zu Ende gegangen sind.
    »Aber damals bei dem Frederike-Kempner-Abend«, nehme ich das Thema wieder auf, »als wir da drinnen musiziert haben und alle bei der Stasi waren, drinnen wie draußen – wen haben sie da eigentlich beschattet?«
    »Die haben uns beschattet«, sagt Uwe, erstaunt, dass er es überhaupt sagen muss, » uns , Leander, wusstest du das nicht?«
     
    Es war Winter. Es schneite und es war sehr früh am Morgen. Noch hatte der Berufsverkehr nicht begonnen.
    Der junge Mann stand auf dem Bahnsteig Warschauer Straße. Er wartete auf die S-Bahn nach Friedrichshagen. Er trug eine braune enge Cordhose, ein Ding namens Pullover und durchnässte Wildlederschuhe, die Sohle löste sich von der Spitze her auf. Er blickte auf die rostbraune Fassade, dessen Leuchtschrift fast die einzige in Ostberlin war: »Glühlampenwerk NARVA «. Als Schüler hatte er dort in den Ferien gejobbt, zusammen mit seinem besten Freund Guido. Zwei dünne Jungs inmitten von Hünen, die die federleichten, weil mit Glühlampen gefüllten Kartons in Lastwagen hoben und bei jedem Karton mächtig die Muskeln spielen ließen.
    Jetzt war er 21   Jahre alt, Facharbeiter für Drucktechnik, zurzeit krankgeschrieben und auf dem Weg nach Hause. Er war sehr müde und musste aufpassen, dass er nicht wieder in der S-Bahn einschlief und statt nach Friedrichshagen weiter nach Erkner und zurück nach Friedrichstraße und wieder zurück nach Erkner fuhr. Bis nach Friedrichshagen dauerte die Fahrt eigentlich nur 20   Minuten. Manchmal wachte er auch tatsächlich direkt in Friedrichshagen auf, allerdings erst nach einer dreistündigen Fahrt.
    Da betrat ein Mädchen den Bahnsteig. Sie war in ein langes dunkelgrünes Samtkleid gehüllt, bestickt

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