Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Beatnik-Generation?«
»Wosnessenski«, sagt Uwe, der mal Bibliothekar war und es im Prinzip auch noch ist. Einmal Bibliothekar, immer Bibliothekar.
Uwe und ich gingen oft zusammen ins Krishna-Haus. Tatjana spielte Blockflöte. Uwe begleitete sie am Klavier. Wenn eine Lücke entstand, rezitierte ich, der ich mich wie das fünfte Rad am Wagen fühlte, Hermann Hesse, »Unterm Rad«. Hesse kam immer gut an. Zumal ja mittlerweile jeder wusste, dass ich fast der Enkel vom Dichter geworden wäre.
Zu essen gab es Bananenbrei mit Haferflocken, Honig und Rosinen vermanscht. Manchmal kam auch der Typ von nebenan und klampfte seinen deutschen Dylan oder zeigte eines seiner Bilder. Mit dem hatten Uwe und ich leichtes Spiel, wir gaben ihn gnadenlos der Lächerlichkeit preis und vertrieben ihn regelmäßig aus Tatjanas Nähe. Tatjana lächelte geduldig wie Penelope angesichts der Freier auf dem Hof, trennte die Fäden ihres Teppichs immer wieder auf und wartete auf ihren Odysseus. Wir hingegen warteten auf unsere Gelegenheit. Natürlich waren wir nicht die Einzigen. Das Krishna-Haus war ein offenes Haus. Zahlreiche junge Männer gingen dort ein und aus.
Da war zum Beispiel der südjemenitische Diplomatensohn Ibrahim Al-Hatab, der, sobald er ein Mädchen sah, abging wie Schmidtchens Katze. Er hatte Kinderlähmung, bewegte sich aber mit seinen Krücken in einer derartigen Geschwindigkeit, als sei sein Schwanz sein drittes Bein. Aus Liebe schwang er sich eines Nachts am Efeu in Tatjanas Fenster und versetzte sie in Todesangst.
Ein anderer, Mathias, war ein zartes Gemüt mit einer Brille und einem West-Pass. Er war einer der zahlreichen Söhne des Malers Gabriele Mucchi. Einmal kam er mit einem flachen blauen Gerät aus Plastik an. Es hatte Kopfhörer. Man konnte es mit sich herumtragen und Musik in sagenhafter Qualität von der Kassette hören. Alle waren sehr beeindruckt. Vor allem, weil Mathias’ Verhältnis zu diesem Wunderwerk an Technik so lässig und erhaben war, ja fast verächtlich. Wir hingegen saßen um dieses Gerät in Tatjanas Dachstübchen herum und schauten, als hätten wir gerade das erste Mal in das Licht einer Glühbirne gesehen.
Und so lagerten wir Männer auf Teppichen und Kissen, murmelten, wenn es denn sein musste, Mantras, entrichteten den einen oder anderen Krishna-Tribut im Tempelraum und nahmen unter den misstrauischen Augen Eberhards, dem Oberguru von der Stasi, an geselligen Abenden mit Zimbeln, Maultrommeln und Bongos teil.
Auch Apolonius Müller, genannt Appel, war regelmäßig zu Gast und lächelte mit bananenverschmiertem Mund glückselig vor sich hin. Appel war von frühester Kindheit an von seinen Eltern, die einen kleinen Garten in Hirschgarten an der Erpe hatten, vegetarisch ernährt worden. Aber das konnte aufgrund der Mangelwirtschaft nur mangelhaft geschehen, weshalb ihm, so die Theorie, wichtige Spurenelemente wie Eisen und Kalzium fehlten, was sich derart auf seinen Geisteszustand ausgewirkt haben soll, dass er schon in der sechsten Klasse von der Schule abging und bei der Wasserwirtschaft eine Lehre anfing. Wir hatten ihn als Kinder immer mit Kugelschreiber beschriftet und seine Mappe aus dem Fenster geworfen, später hängte er dafür seine Ziege auf, die so wichtig war für seine Ernährung. Appel war nicht nachtragend, aber auch er war – chancenloser als alle anderen, die auch extrem chancenlos waren – schwer verliebt in Tatjana.
Abschließend kann man sagen: In diesem Haus war niemand wegen dieses indischen Gottes, von dem eh keiner wusste, wer der war.
Für Tatjanas neunzehnten Geburtstag hatten Uwe und ich uns ein Programm ausgedacht, mit Hesse, Ave Maria und Moritaten zum Akkordeon. Und ein Geschenk hatten wir: das Inselbuch Nr. 1, »Rainer Maria Rilke«, eine Rarität, Erstausgabe. Ich hatte es mir aus dem Herzen gerissen. Und in Blümchenpapier gewickelt.
Auch eine Spielszene hatten wir einstudiert. Eine Westernszene. Schließlich waren wir gerade im Begriff, eine Theatergruppe zu gründen. Uwe in einem weißen Hemd und schwarzen Cordhosen, ich in einem Fleischerhemd mit selbst angenähten roten Knöpfen und verschiedenen Lederarmbändern und Anhängern. Durchs Ohr hatte ich mir einen Schlüsselring gezogen, an dem ein silberner Elefant hing und der im eitrigen Loch am Ohrläppchen festgerostet war. Im Gesicht trug ich einen Fusselbart, von dem mein Vater behauptete, er sähe aus wie sein Kartoffelbeet. Außerdem eine Nickelbrille, was einen vergeblichen
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