Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
mit roten Pailletten und glitzernden Symbolen. In ihrer zarten Hand zitterte eine Zimbel, aus ihren kirschroten Lippen strömte ein zartes Lied: »Hare Krishna, Hare Krishna, Hare Hare, Hare Rama … «
Er konnte es nicht fassen und schaute unverwandt zu ihr hinüber, arbeitete sich langsam an sie heran. Doch nichts deutete darauf hin, dass sie ihn bemerkte, sie schien in Meditation versunken. Seine Schüchternheit schnürte ihm fast die Gurgel zu. Er ärgerte sich. Scheißromantik. Hingehen und ansprechen, eigentlich gab es gar keine Alternative dazu. Aber er traute sich nicht.
Die Bahn kam. Er stieg ein. Sie auch und – das war das Allerschönste – in Friedrichshagen mit ihm aus. Er ging hinter ihr her und tat so, als hätte er den gleichen Weg. Die Bölschestraße hinunter bis zum Müggelseedamm, und während sie in die Nawrockistraße einbog, ging er wie selbstverständlich vorbei, zurück in die Scharnweberstraße, wo er wohnte, ganz in der Nähe des Bahnhofs. Also wieder zwei Kilometer zurück.
Er legte sich schlafen und wurde von seiner damaligen Freundin geweckt. Sie war Handballerin. Er fand sie plötzlich doof.
»Lena hieß sie«, sage ich zu Uwe.
»Die war Handballerin«, sagt er.
»Die Eltern waren in der Partei. Sie war aber sehr nett.«
»Ich weiß.«
Das sagt Uwe irgendwie komisch, finde ich. »Hattest du was mit ihr?«, frage ich ihn.
»Wir alle«, sagt er trocken.
»Das weiß ich doch«, sage ich. »Aber sag mal, damals, als du bei mir in Friedrichshagen aufgetaucht bist, da warst du doch auf dem Weg zum Krishna-Haus, oder?«
»Nein, ich kam vom Krishna-Haus«, sagt Uwe, dem es hier plötzlich um Genauigkeit geht. »Ich hatte VKU .«
VKU – dieses Kürzel war mir verloren gegangen, bis jetzt, da Uwe es wieder hervorgeholt hat und mit einer Selbstverständlichkeit anwendet, als würde dieses Wort heute noch zu seinem Alltag gehören. Uwe hatte also verlängerten Kurzurlaub, er trug die Winteruniform der Landstreitkräfte der Volksarmee, als er unter meinem Fenster in der Scharnweberstraße vorbeischlenderte und ich ihm aus meinem Mansardenfensterchen zurief: »Komm hoch.«
Kennengelernt hatten Uwe und ich uns kurz zuvor auf dem »Kahn«. Der »Kahn« war ein Klub auf einem Kutter in Treptow auf der Insel der Jugend. Dort lag er vor Anker und dort traf sich die Szene.
Dörste und ich wollten eine Jazz-Kneipe oder irgendetwas anderes gründen. Ich merkte aber schnell, dass Dörste nicht auf derselben Spur war. Er hatte irgendwie keine Lust, irgendwas zu gründen. Dörste, ein begeisterter Offsetdrucker in der Staatsbibliothek, war mein bester Freund damals und an diesem Tag auf dem »Kahn« war es zu Ende mit uns. Er zeigte auf Uwe, der am Klavier saß und Scott Joplins »Entertainer« spielte, und sagte: »Mit dem da kannst du was gründen, ihr seid auf einer Wellenlänge.«
Ich zückte meine zerbeulte Melodia-Mundharmonika C-Dur, die ich damals neben meinem Personalweis immer am Mann hatte, spielte Blues und sang »A gatta muv, a gatta muv, mama cam home, I’m very alone, that’s the Blues, I gatta muv« usw. Und Uwe haute in die Tasten und erspielte sich damit einen Punkt für besonders amerikanisches Verhalten. Später am Abend wankten und stolperten wir, Kerouac und Salinger rezitierend, über die toten S-Bahn-Gleise nach Adlershof zu einem ungarischen Philosophen, der auch malte.
»Wie hieß der noch? Mikesch?«, frage ich Uwe.
»Janosch«, sagt Uwe.
»Janosch, genau.« Der Philosoph Janosch, der in seinem baufälligen kleinen Häuschen in Adlershof immer die hübschen Jungs um sich versammelte und mit hungrigen Augen lange Vorträge hielt. Verwilderter Garten, Außentoilette und Katzen.
Wie immer, wenn man das Gefühl hatte, einen Bruder im Geiste gefunden zu haben, verbündete man sich, und zwar für ein ganzes Leben. Ich lud Uwe zu mir nach Hause ein, in die Scharnweberstraße 67 zum Tee-Abend.
»Ja, Tee-Abend«, Uwe klingt schwärmerisch. »Das war ja eine Institution damals bei dir.«
»Ja, genau, eine Institution. So wie bei Gertrude Stein damals in Paris, ein Fest fürs Leben. Nur mit dem Unterschied, dass es bei uns keinen Tee gab. Weshalb am Ende auch immer alle so furchtbar betrunken waren. Wir haben Gedichte gelesen, laut geschrien, mit großer Geste … von diesem russischen Dichter, wie hieß der noch? Dieser revolutionäre Expressionist …«
»Majakowski.«
»Ja, der auch«, sage ich. »Aber wie hieß der andere, der aus der sowjetischen
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