Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
gerechtes Feierabendbier freute. Kurz: ein armes Würstchen, das nun dieses junge renitente Ehepaar vor sich hatte.
Niemals würden die hier rauskommen aus diesem Land, sie hatten keine Chance. Das wusste der Beamte und das machte ihn innerlich stark. Das gab ihm etwas Göttliches. Er fühlte, wie ihm Engelsflügel aus den Schulterblättern wuchsen. Seine Armwurstigkeit hatte er längst überwunden. Im Gegenteil: Gerade seine Arme-Wurst-Verkleidung war es, die ihn so unangreifbar, so unberechenbar machte. Er betrachtete sein Gegenüber. Diesen schlaksigen Kerl, der sich bewegte wie in Zeitlupe, der mal eine grundlegende Körperertüchtigung nötig hätte und der mit seinem intellektuellen Kritikastertum allen so schrecklich auf die Nerven ging. Wohl auch dieser Blondine, die seine Ehefrau war und ständig rot anlief, aus Wut oder aus Scham, man weiß es nicht. Na ja, dachte er, wenn die wüsste, was ich weiß, haha, die Röte in ihrem Gesicht wäre eindeutig aus Scham.
Nachdem er sich hatte anhören müssen, wie öde das Land war, das er offensichtlich als Einziger hier in diesem Raum liebte, erhob er sich und bat die beiden Hübschen mitzukommen auf den Gang des Rathauses, mal aus dem Fenster in den Hinterhof zu schauen und ihm zu beschreiben, was sie dort sahen. Was nicht allzu schwer war: Mannschaftswagen der kasernierten Polizei, zivile Fahrzeuge der Staatssicherheit, alle in Bereitschaft. »Sehen Sie«, sagte der Beamte, »das meine ich.«
Dass es nicht leicht werden würde, hatten wir immer gewusst, trotzdem weinte Christiane jedes Mal nach diesen Besuchen. »Wir kommen schon raus«, sagte ich dann auch jedes Mal, ohne zu wissen, dass jemand ein ganz persönliches Interesse daran hatte, das zu verhindern.
16 HINTER DEM NEBEL
HINTER DEM NEBEL
16 ES WAR MORGENS FRÜH. Sehr früh. Nebel bildete eine natürliche Grenze zwischen Ost und West. Einsame Gestalten wurden von ihm verschluckt und wieder ausgespuckt. Sektflaschen, Konfetti, Pappbecher und kleine Kotzehäufchen waren mit feinem Raureif bedeckt, in dem sich die Fußspuren der müden, aber immer noch neugierig marodierenden Übriggebliebenen abzeichneten, die über die Oberbaumbrücke Richtung Westen schlurften. Die Mauer war tatsächlich gefallen. Wir waren beseelt.
Christiane und ich waren aus Weimar gekommen. Ich hatte am Abend des 9. November 1989 auf der Bühne des Nationaltheaters gestanden und in dem Stück »Ich, Feuerbach« von Tankred Dorst den Feuerbach gespielt. Solche Bilder, wie sie sich mir in dem Zug von Weimar nach Berlin boten, kannte ich nur aus dem Fernsehen. Aus einer Zeit um 1945 herum. Die Menschen saßen zwar nicht auf dem Dach des Zuges und hingen auch nicht an den Türen, aber es fehlte nicht mehr viel. Sie drohten sich fast gegenseitig zu zerquetschen. Alle Plätze waren besetzt, auch die auf den Klos.
Wir retteten uns vor dem drohenden Erstickungstod, indem wir in Leipzig aus dem Zug sprangen. Dort versuchten wir unser Glück an einer Tankstelle als Anhalter. Doch der endlose und langsam fließende Strom vollbesetzter Autos führte drei Generationen von Begrüßungsgeldempfängern mit sich. So war kein Platz mehr für uns. Bis sich ein Taxifahrer unser erbarmt hatte.
Glücklich und frierend wanderten wir an diesem »historischen« Morgen also über die Oberbaumbrücke Richtung Kreuzberg. Die Brücke war mir während meiner dreißig Jahre DDR nie aufgefallen, obwohl sie es hätte müssen, so groß wie sie ist, und rot, mit Türmchen und allem. Es kam uns niemand entgegen, um uns zu umarmen und »Wahnsinn« zu brüllen. Eine Stille lag über der Stadt.
In Charlottenburg kannten wir einen Autor von Kinderstücken, der vor allem als Koautor und Produzent eines Musicals, über das sich im Westen alle beäumelten, zu Ruhm, Ehre und Geld gekommen war und der in einer für uns sagenhaft riesigen Wohnung wohnte.
Er hatte eine Freundin von Christiane geheiratet, die auf diesem Weg in den Westen gekommen war und ihm über den Kopf zu wachsen begann. Was man daran merkte, dass die beiden sehr angestrengt miteinander umgingen: Schatzi hier, Schatzi da. Irgendwie hatte er sich das wohl mit dieser Dame aus dem Osten anders vorgestellt. Unkomplizierter und so. Jedenfalls lud er uns an dem Tag, nachdem die Mauer gefallen war, zu einem Bier ein. Das nächste Bier mussten wir uns schon selber kaufen. Und am Zigarettenautomaten stand ich circa zehn Minuten und starrte hilflos auf das blinkende Ding.
Nach diesem Nachmittag verlor sich unser
Weitere Kostenlose Bücher