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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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Kontakt. Manchmal traf ich ihn noch im »Zwiebelfisch« am Savigny-Platz, immer betrunken, mit den übrig gebliebenen taz -Lesern, Frauen, die Ingrid hießen, und grauen Bartträgern, die in Bitterkeit getränkte Ossi-Witze rissen. Er tat mir leid, sein lallender Sarkasmus schien mir wie der Hilferuf einer langsam vereinsamenden Generation.
     
    In den langen Schlangen, die sich in den ersten Tagen nach dem Mauerfall vor den Banken bildeten, fühlten wir aus dem Osten uns heimisch. Geduldig und mit gezücktem Personalausweis reihten wir uns ein.
    Menschenschlangen waren für den Ostbürger von magischer Anziehungskraft. Zu Ostzeiten wusste oft der Letzte in der Reihe nicht, warum er da eigentlich stand. Zum Beispiel vor einem Plattengeschäft: erst eingliedern, dann fragen, dann kaufen. Egal was, Hauptsache Lizenz, war die Devise.
    Von meinem Begrüßungsgeld kaufte ich mir die Rolling-Stones-Gesamtausgabe bei Zweitausendeins, allerdings nur die mit dem unglamourösen Cover, die schwarze mit der Glitzerschrift gab es nicht mehr, die war seit zehn Jahren vergriffen. Außerdem erstand ich einen 44er Colt, mit Holzgriff und Holster. Ich trug ihn zwei Jahre mit mir herum, einmal konnte ich ihn auch gebrauchen.
     
    Es war noch dunkel in Prenzelberg. Es gab noch keine Leuchtreklamen, und noch funktionierten die Straßenlaternen nicht. Es waren Läden okkupiert worden und Wohnungen. Die Hausbesetzer aus Westberlin waren schnell vor Ort gewesen und hatten den Ostjugendlichen gezeigt, wie man das macht.
    Der jahrzehntelange antifaschistische Kurs der DDR  – das Malen eines Hakenkreuzes hätte einen für alle Zeiten ruinieren können – hatte eine gut funktionierende rechte Szene hervorgebracht. Marodierende Gewalttäter machten die Straßen unsicher. Jedes zweite Lokal wurde entweder von den Rechten oder den Linken zu einer Festung ausgebaut. Zu dieser Zeit war fast jeder bewaffnet. Viele der ehemaligen Volkspolizisten, nun in der Senfmännchen-Uniform der freiheitlichen Demokratie, fühlten sich zur rechten Szene hingezogen, wo sie ihre Interessen wohl besser vertreten sahen.
    Ein gewaltiger Krach brach über uns herein, irgendwo auf der Linienstraße. Wir waren nicht mehr ganz nüchtern. Florian Martens, mein Kumpel aus alten Ernst-Busch-Schauspielschule-Tagen, und ich hatten schon ein paar Biere intus, als die Steine durch die Scheibe des besetzten Ladens flogen. Das gab mir Gelegenheit, den Colt zu ziehen und in Richtung der fliegenden Steine in die Dunkelheit zu ballern. Aber das hässliche Lachen, das von draußen kam, zeigte schnell, dass die Wirkungslosigkeit meiner zugegeben lächerlich riesigen Waffe erkannt worden war.
    Dabei hatte mir der Revolver einige Tage zuvor in der S-Bahn zwischen Friedrichstraße und Anhalter Bahnhof gute Dienste geleistet. Ich trug ihn nämlich auch tagsüber in einem Holster unter der Achsel bei mir. Eine stark geschminkte Dame um die dreißig, noch in der Robe des vorangegangenen Abends, attackierte mich mit ihren roten Pumps. Das heißt, sie versuchte, mir mit den Absätzen ihrer Schuhe einen Scheitel zu ziehen. Ich wehrte mich. Sie flog durch den ganzen Waggon. Ein großer böser Mann hob mich aus den Angeln. Ich zog die Waffe, spannte den Hahn und hielt ihm den Lauf direkt unter die Nase. Als die S-Bahn in dem nächsten Bahnhof einfuhr, sprang er hinaus, die Freundin hinter ihm her, hinkend, weil sie einen der Pumps noch in der Hand hatte. Sie verschwanden in der Menschenmenge.
    Hier allerdings, im besetzten ehemaligen Obst- und Gemüseladen in der Linienstraße, wo die Gäste wie Hühner hin und her flatterten, hatten wir es mit einer Horde todesmutiger Glatzen zu tun, die unter den Augen der Polizei die Kneipen aufmischten. Die Baseballschläger in ihren Händen waren ganz sicher wirkungsvoller als meine alberne Schreckschusspistole. Als sich der erste Riese im nun nicht mehr verglasten Rahmen des Schaufensters zeigte und seine Springerstiefel durch den Scherbenhaufen knirschten, flüchteten wir alle in die Küche, wo schnell klar wurde, dass wir mit dem Rücken an der Wand standen. Immer mehr Springerstiefel knirschten. Sie näherten sich uns. Ich griff einen Stapel Teller und begann diese wie Frisbee-Scheiben ins Dunkle zu werfen. Als drei Stapel aufgebraucht waren, hatten sich die Angreifer zurückgezogen. Eine Blutspur zeigte uns, dass ich getroffen hatte. Die Polizei nahm den Vorfall auf und erließ Strafanzeige gegen mich, wegen schwerer Körperverletzung.
    Später

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