Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
Vom Netzwerk:
Weltweit. »Proletarier aller Länder, vereinigt euch.« Brrrrrr. »Ich muss kurz mal was arbeiten, Mister Bond, Sie verstehen, Büro, Büro, haha.« Ich drehe den Schlüssel zweimal um, gerettet. Dann schalte ich die Playstation an und spiele »Medal of Honor«. Das heißt: im Zweiten Weltkrieg Nazis wegballern.
    Danach bin ich wie ausgewechselt und kehre zur Probe zurück.
     
    Margit Carstensen, die politischste unter unseren Bochumer Schauspielerinnen, Fassbinder-Überlebende, macht ein trotziges Gesicht und damit keinen Hehl daraus, dass sie es doof findet, was sie da machen muss. Die Charaktere in Bonds Stück sind degenerierte Mutationen in einem düsteren Endzeitszenario. Man hat ihnen Chips eingebaut und sie versuchen, damit klarzukommen. Sie sprechen schwer entschlüsselbare Sätze und stehen in einem unentschiedenen Bühnenbild herum. Die Premiere geht still vorüber, kein Schwein kommt. Wir verlegen »Das Verbrechen des 21.   Jahrhunderts« auf die Hinterbühne und spielen vor dreißig Hardcore-Zuschauern.
    »Dieses Textgeschwitze immer«, sagt Margit.
    Textschwitzen – das gefällt mir. Textschwitzen so wie bei Peter Stein. Alle machen ernste Gesichter.

25 ALLE RÄDER STEHEN STILL
ALLE RÄDER STEHEN STILL
    25 DER GERUCH VON SCHWEISS. Wir waren Lehrlinge im zweiten Jahr, und ich hatte meine über und über mit Fett-, Öl- und Farbklecksen besprenkelten Arbeitsklamotten noch nicht ein einziges Mal gewaschen. Es ist anzunehmen, dass es bei einem Großteil der Kollegen nicht anders war. Die Blechschränke hatten so viele Gerüche eingelagert, dass man sie nicht allzu lange offen stehen lassen konnte. In ihnen war das Testosteron dreier Generationen konserviert.
    Die Nachricht, dass Elvis Presley gestorben war, lag drückend über den heißen Augusttagen. Ich hatte Schicht mit Frank Koschnik. Nachtschicht an der Maschine 5, an der wir den »Eulenspiegel« druckten, eine Satirezeitschrift, die es heute noch gibt.
    Maschine 5 – meine große Liebe. Ganz aus Gusseisen war sie, zuverlässig wie eine alte Dame, mit der man sich verabredet hatte, ein bisschen inkontinent, freundlich und robust. Nicht wie die Maschinen 7 und 8: böse Akkordmonster aus England, mit Computerprogrammen, die nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch Verständnis für elektronische Zusammenhänge voraussetzten. Alles, was ich nicht hatte.
    Trotz der Elektronik blieb dort eines Tages ein Kollege mit dem Arm zwischen zwei rotierenden Stahlwalzen hängen. Ich blieb bei ihm, während alle herumrannten und überlegten, wie man die Scheißmaschine herunterfährt, ohne dass der Arm des Kollegen weiter in den Schlund dieses Ungetüms hineingezogen würde. Ich stand neben ihm und versuchte, ihn durch ein Gespräch von seinen Schmerzen abzulenken. Er schrie wie am Spieß. Als man endlich den Notschalter gefunden hatte, zuckte der Organismus dieses miesen Arschgesichts von Maschine; es ging ein Ruck durch die Werke und der Arm wurde noch tiefer hineingezogen. Vom Unterarm war irgendwie alles in den Oberarm gequetscht worden, sodass es aussah wie bei Popeye. In der Notaufnahme fackelte man nicht lange. Der Arm wurde abgenommen.
    Auch ohne Unfall: Diese Maschinen waren unpersönlich und feindselig und machten schlechte Laune. Sie standen in einem Durchgangssaal, wo jeder die Tür aufließ, weshalb man schon vorher brüllte: »Tür zu!« Man druckte dort die »Für Dich«, eine Frauenzeitschrift, und die Fernsehzeitung » FF Dabei«.
    Einmal kam ich zur Schicht und die Paletten einer ganzen Auflage » FF Dabei« waren rot durchgestrichen. Makulatur. Ein Bericht über Glasbläserlehrlinge aus Jena hatte die Stasi zum Handeln gezwungen, genauer gesagt, das Titelfoto. Es zeigte einen jugendlichen Glasbläser, der ein amerikanisches Uni-T-Shirt mit Weißkopfadler und Sternenbanner trug. Die fast fertig gedruckte Auflage wurde eingezogen und vernichtet, die politisch gefährliche Stelle des Fotos anschließend direkt auf dem Druckzylinder kreisförmig weggeätzt. Der Glasbläser trug nun ein weißes T-Shirt mit rotem Kreis: die japanische Flagge. Wieder Alarm bei der Stasi. Auch diese Auflage wurde vernichtet, der Direktor der Druckerei abgeführt, als Saboteur, Kollaborateur und Konterrevolutionär verurteilt und erschossen.
    Was? Das kann doch nicht sein?
    Er wurde jedenfalls nie mehr gesehen. Es kann auch der Abteilungsleiter oder der Maschinenführer gewesen sein. Vielleicht hatte das auch alles gar keine Konsequenzen – ich weiß es

Weitere Kostenlose Bücher