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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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hätte messen sollen. Sein Vater war ein anerkannter Ibsen-Forscher. Aus Parchim hinaus in die Welt wollte er das Landestheater tragen. Doch dann kam das graue Rauschen. Wer noch nie Regie gemacht hat, kann sich glücklich schätzen, diesen Zustand nicht zu kennen, denn er ist das letzte Zeichen, an dem man erkennen kann, dass es zu Ende geht. Und kurz davor ist Henri gewesen.
     
    Eines Tages unterhielt ich mich mit Peter Stein über das Phänomen des grauen Rauschens. Ich hatte ihn nach Bochum eingeladen, in der Hoffnung, er würde mit den Studenten der Bochumer Schauspielschule eine Inszenierung erarbeiten. Was er dann auch tat, aber nicht öffentlich. Er meinte, ich könne ihn nicht bezahlen. Und tatsächlich: Als er mir die Summe nannte, schlackerten mir die Ohren. Er nannte das »Schmerzensgeld«. Er meinte damit die Kritiken, die, wie zu erwarten war, schlecht sein würden. So hatte es sich jedenfalls in den letzten zwanzig Jahren seines Lebens im Feuilleton eingetaktet.
    Ich mag Peter Stein, er ist lustig. Er hat wie alle großen Künstler Prinzipien. Da ich keine habe, ringt mir diese Tatsache immer großen Respekt ab. Ich mag es, wie aus seinen schmalen Lippen stakkatoartig und auf einer hohen Bildungsebene formuliert fundamentale Worte des Hasses schießen, denen ich mich bei jedem einzelnen durchaus anschließen kann. Als ich ihm erzählte, dass einer seiner Mitarbeiter bei mir gewesen sei und die gesamte Direktionsetage mit einer 45er bedroht habe, sagte er nur, ich solle ihn mit diesem Scheiß in Ruhe lassen. Er wolle damit nichts zu tun haben. Er erzählte mir auch die Geschichte von dem Regisseur, der Stein auf einer Premierenfeier an der Schaubühne um den Hals gefallen sei und in sein Ohr gelallt habe: »Wir müssen sie fertigmachen, diese Bondys, Zadeks und Steins.« Da hätte er zum ersten Mal gedacht: »Jetzt reicht’s aber.« Was das allerdings mit der 45er zu tun hatte, weiß ich nicht.
    Aber es muss an jenem Abend gewesen sein, an dem wir den Schnaps tranken und über das graue Rauschen sprachen. Wie jeder Regisseur kannte er dieses Gefühl sehr gut. Bei Profis komme es natürlich nicht mehr so oft, aber wenn es denn komme, komme es ja überraschend, ohne vorherige Symptome, dann wünsche er sich eine stille Eingreiftruppe.
    Das fand ich eine gute Idee. Eine Truppe sollte es sein (schwarze Hüte, schwarze lange Mäntel), die einfach da ist, plötzlich und ohne Aufwand, gerufen durch einen im Stillen ausgelösten Alarm, einen roten Knopf, vielleicht am Regiepult und durch den Assistenten betätigt, da der Regisseur dazu kaum noch in der Lage sein würde. Dann würden sich leise die Türen öffnen, die Männer den Saal betreten und ihre Hände auf die Schultern des armen, zum Scheitern verurteilten Regisseurs legen. Der Regisseur wäre erleichtert wie ein Mörder nach dem Geständnis, er würde mitgehen, denn er wüsste, dass man ihn an einen Ort bringen würde, an dem zu sein er sich schon immer gewünscht hatte. Eine grüne Wiese im Sonnenschein. Man liegt in der Mittagssonne und blinzelt zum Himmel, wo ein blauer Drachen kreißt, dessen Schnur man am kleinen Zeh hat. Dazu Stille. Keine Vorwürfe, kein Geschrei, nichts mehr. Nur die Anwesenheit der Natur, das Gezwitscher der Vögelein und das Vorbeihuschen hilfsbereiten Personals. Mollige Schwestern in gestärkter weißer Leinentracht.
    »Du übertreibst mal wieder, Leander«, sagte Peter Stein.
    »Ich übertreibe nie«, sagte ich.

27 BARBARA
BARBARA
    27 DER REGISSEUR DREHT SICH ÜBER SEINE linke Schulter, wo eine Frau mit schwarzen Haaren sitzt. Sie wirkt etwas zu mächtig, ihre Augen glühen wie zwei Taschenlampen und erzeugen ein Licht, das dem Regisseur die ganze Zeit schon unangenehm in den Rücken brennt. Der Regisseur, ein Urgestein des Nationaltheaters Weimar, wirkt wie bestellt und nicht abgeholt und versucht gerade ein Stück zu ordnen, das so manchem seiner Artgenossen schon das Genick gebrochen hat: Wladimir Majakowskis »Das Schwitzbad«. Vor einem Stück, in dem die Personen so heißen wie ihre Charaktereigenschaften, sollte man sich in Acht nehmen.
    Aber der Regisseur müsste eigentlich wissen, was er tut, denn er ist siebzig Jahre alt und gilt als Meister seines Fachs, wenn es ums russische Theater geht. Er ist ein Naturalist. Auch der sozialistische Realismus ist ihm nicht fremd. Tschechow, Ostrowski, Gorki – das sind die Schlachtfelder, auf denen er so oft den Sieg davongetragen hat. Stanislawski, die ganz alte Schule

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