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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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Der ist schon seit geraumer Zeit auf dem Dachboden zwischengelagert.«
    Der Stasi-Mann hebt die Schultern, es ist ihm wurscht, ob Marx und Stalin verbrannt werden. »Haben Sie das Zeug gelesen?«, fragt er meinen Vater, merkwürdig salopp.
    »Natürlich«, antwortet dieser. »Man muss doch wissen, was der Feind denkt.«
    Der Wind pfeift, die Frösche quaken, eine Eule kreischt und die Enten in der Erpe, dem kleinen, dreckigen Fluss, der die Kacke der umliegenden Kleingärten direkt in die Spree befördert, schlagen mit den Flügeln.
    »Meine Frau ist vor Kurzem gestorben«, sagt der Stasi-Mann, seine Augen füllen sich mit Tränen. Er setzt sich auf die Wurzel eines vom Blitz getroffenen Baums und stützt den Kopf in seine Hände. Zwischen den Fingern flattert noch immer der Buchrücken, seine Augen suchen nach dem Rest der Faksimile-Ausgabe des »Gepfefferten Spruchbeutels«.
    »Wollen Sie die Bücher haben?«, fragt mein Vater. »Ich schenk Sie Ihnen. Machen Sie damit, was Sie wollen.« Er geht weg, nach Hause.
    »Danke«, ruft ihm der Stasi-Mann nach, der noch lange auf der Baumwurzel im feuchten Gras der Gummiwiese vor dem Bücherberg unter dem Mondlicht sitzt, fassungslos, irgendwie glücklich und reich beschenkt.
     
    »Sag mal, Mutti«, beginne ich das Gespräch via Handy mit meiner Mutter, die mit ihrem Dackel im Wald unterwegs ist, »gab es einen Grund, warum Papa damals die Bücher verbrannt hat?«
    »Ja«, ich höre den knirschenden Schritt meiner Mutter auf dem Waldboden, »ich war der Grund.«
    »Wegen dir hat er die Bücher verbrannt?«, frage ich.
    »Es hatte damals alles keinen Sinn mehr für ihn«, sagt meine Mutter. »Jetzt muss ich auch drüber lachen.«
    »War das wegen deines Kurschattens in Oberhof?«
    »Ja, da hat er sich fürchterlich drüber aufgeregt, immer wieder und immer wieder. Ich hatte damals ein Kleid aus dem Exquisit, das hat er zerschnitten. Und ich hatte diese teure Uhr, bei der man die Fassungen austauschen konnte. Die hat er alle zerkloppt.«

24 DAS VERBRECHEN DES 21.JAHRHUNDERTS
DAS VERBRECHEN DES 21. JAHRHUNDERTS
    24 »ICH HABE IHREN ›SOMMERNACHTSTRAUM‹ gesehen«, weckt mich Edward Bond. Die Sonne geht unter in Cambridge.
    »Ah«, kommt es mir erfreut aus dem Herzen.
    Edward Bond runzelt die Stirn. »Es hat mir gar nicht gefallen, was ich da gesehen habe. Ihr ›Sommernachtstraum‹ ist Unsinn.«
    »Ja klar, das liegt in der Natur der Sache«, sage ich.
    »Es geht um den Tod«, sagt Edward Bond.
    »Natürlich«, sage ich, »darum geht es in der Regel ja immer.« Ich habe ein bisschen Angst, dass ich jetzt zu frech war und er mir vielleicht die Uraufführung nicht gibt.
    Fünf Stunden sind vergangen. Es ist still geworden hier oben im Turm. Bond mustert mich, steht mit einem knappen »Well« auf und verlässt den Raum. Dimitra und ich sitzen noch eine Weile schweigend alleine herum. »Ich glaube, das Gespräch ist beendet«, sage ich irgendwann. Wir erheben uns und suchen den Weg zum Ausgang. Wir durchqueren die stattliche Bibliothek, und da sehen wir ihn noch einmal. Er steht wie eine Figur von Spitzweg hoch oben auf einer Leiter, um ein dickes rotes Buch herunterzuholen. Er bedeutet uns, stehen zu bleiben. Er gibt es mir. Es ist so schwer wie ein Telefonbuch und beinhaltet den ersten Teil seines gesamten Briefwechsels, auch den mit der Dramatikerin Sarah Kane, mit der er befreundet war und auf deren Selbstmord er auf rührende, geradezu tragische Weise neidisch zu sein scheint.
    Die Tüte mit dem Buch habe ich im Zug Cambridge – London unter dem Sitz deponiert, auf dem ich saß. Die Vorstellung, dass sie noch heute in einer endlosen Schleife zwischen Cambridge und London pendelt, erheitert mich dann und wann. Wie sinnlos.
     
    Später besucht mich Edward Bond in Bochum bei den Proben. Er geht mir auf die Nerven mit seinem depressiven, ewig vergrämten Gesicht. Die gesamte Weltsituation lastet auf seinen Schultern.
    Er sitzt im Zuschauerraum hinter mir, während ich versuche, sein Stück mit dem Titel »Das Verbrechen des 21.   Jahrhunderts« süffig zu kriegen. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken, seine Anspannung – bis sie sich Bahn bricht mit dem Aufschrei: »This makes no sense.« Dann steht er auf, schwingt sich auf die Bühne und versammelt die Schauspieler um sich. Keiner versteht ihn, auch die nicht, die Englisch können.
    Mir klingen die Ohren. Edward Bond ist erklärter Kommunist. Das kann ich schon mal nicht leiden. Er redet gerne von den Arbeitern.

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