Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
gelingen wird. Oder um es einfacher auszudrücken: so eine Art Wiedervereinigung zwischen Goethe und Schiller. Zusammenbringen, was zusammengehört.
»Nein, das mache ich nicht«, sagt mein Vater.
»Warum nicht?«, frage ich ihn.
»Ich lege meine Hand nicht dahin.«
Er, den ich während der Arbeit nicht wie zu Hause Papa nenne, sondern Ezard, steht kurz vor der Arbeitsverweigerung. Er ist bockig.
»Versuche es doch mal, Ezard«, sage ich sanft.
»Das mache ich nicht«, sagt mein Vater und zupft sich die Pluderhosen und den spanischen Kragen zurecht – wir sind ganz avantgardistisch, wir spielen in historischen Kostümen. Danach fährt er sich durch sein kurzes Haar, die Hofdamen schauen ihn erwartungsvoll an und Steffi lacht ihr hohes, mädchenhaftes Lachen. Sie ist Elisabeth, die Königin von Spanien, und mein Vater ist der König aller Spanier. Dass er der König von Spanien ist, wird in diesem Konflikt sein Lieblingsargument sein.
»Der König von Spanien fasst sich da nicht hin«, sagt er.
»Aber ich will es so, ich, der Regisseur dieses Stücks, sage, der König von Spanien fasst sich, wenn er die Königin von Spanien trifft, unwillkürlich ans Geschlechtsteil.«
Steffi lacht wieder ihr Lachen. Es soll entspannend wirken, denn die Situation droht zu kippen, und dann würde wieder gebrüllt werden, dass die Scheinwerfer klappern.
Meine Mutter, die die Kostüme gemacht hat, sitzt eine Reihe schräg vor mir und leidet. »Ezard, jetzt versuch es doch mal«, ruft sie leise zur Bühne rauf.
»Also, ich komm dann noch mal«, sagt er. Dann verschwindet er hinter dem Portal.
Es dauert. Man hört, wie er sich räuspert und seine Nase hochzieht. Das macht mein Vater, seit ich denken kann, dieses Hochziehen. Irgendetwas ist mit seiner Nase. Vielleicht ist es auch ein Tick. Er zieht auch hoch, wenn nichts in der Nase ist. So kündigt sich sein Kommen oft an: Erst hört man es Hochziehen, dann kommt er. So auch jetzt.
Mein Vater hat wieder auf Bühnenmodus geschaltet. Seine Stimme klingt fremd. »Was seh ich! Sie hier! So allein, Madame?«, sagt der König von Spanien und nähert sich seiner Königin. Er führt einen inneren Kampf, doch seine Hand bewegt sich nicht. Stattdessen bleibt er stehen und tut das, was ich und mit mir alle Regisseure dieser Welt fürchten wie der Teufel das Weihwasser und hassen und verachten und zu verhindern suchen: Er dreht sich zum Zuschauerraum, pumpt sich noch mal ordentlich auf, läuft zur Rampe und hält die Handfläche nach oben gegen die Scheinwerfer, um mich hinterm Regiepult sehen zu können. »Warum?«, fragt er.
Mein Vater tut mir leid, aber ich kann meine Regieanweisung nicht mehr zurücknehmen, das geht nicht, es ist ein entscheidender Moment, das ahnt hier jeder. »Warum was?«, frage ich zurück.
»Warum muss er sich an den Sack fassen?«
»Eine Übersprungshandlung. Und eine männliche Geste, so wie bei jedem Mann.«
»Er ist der König von Spanien.« Papa ist schon ein bisschen erschöpft, seine Gegenwehr ist nicht mehr ganz so stark, er schwächelt. »Wäre er ein Bauer oder ein Arbeiter …«
»Dann würde ich es ja nicht wollen, aber als König von Spanien finde ich es lustig.«
»Das nimmt ihm die Würde, das nimmt dem König von Spanien die Würde.« Ein Aufbäumen meines Vaters, ich merke es an der zunehmenden Enge in seiner Stimme. Gleich wird gebrüllt werden, es ist nicht zu verhindern.
»Der König von Spanien ist ein Arschloch«, sage ich so, dass er es nicht hören kann, er ist ja schwerhörig.
Aber das hat er komischerweise doch gehört. »Ja, das kann sein«, seine Emotion nimmt Anlauf, auch mein Herz flattert, »aber er fasst sich nicht an den Sack, nur weil er ein Arschloch ist.« Mein Vater ist ganz bleich.
»Jetzt mach es doch nur einma l«, sage ich und er-hebe meine Stimme etwas.
»Brüll mich nicht an«, brüllt mein Vater.
»Ich habe nicht angefangen«, brülle ich zurück, die Scheinwerfer klappern.
»Dann soll das ein anderer spielen.«
»Nur weil du dir nicht an den Sack fassen willst, willst du die Rolle abgeben?«
»Nicht ich will mir nicht an den Sack fassen, sondern der König von Spanien will sich nicht an den Sack fassen.«
»Seit zwanzig Jahren willst du Theater spielen wie zu Uropas Zeiten«, brülle ich und mache mich bereit, die Probe zu beenden.
»Das wirst du nicht mehr ändern«, brüllt mein Vater zurück. » Du willst mich nur demütigen.«
Er steht noch immer mit seiner schwarzen Pluderhose und dem
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