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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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die Kulanz des Polizeipräsidenten verlassen möchte, und wähle die zweite: nämlich die Vorstellung ausfallen zu lassen, wie es Müllers Forderung ist. Müllers Freundin ist weiblicher Schauspielstar an unserem Theater und hat ein Techtelmechtel mit dem Studentenschwein. Beide spielen in Goldonis »Krach in Chioggia«. Heute ist die Vorstellung ausverkauft. Und morgen auch.
    Marawitsch schüttelt verzweifelt den Kopf. »Das finde ich echt nicht gut jetzt …«
    »Scheiß auf die Vorstellung«, sage ich.
    Martin Fendrich, ein junger Dramaturgiepraktikant an unserem Theater, der unter Genieverdacht steht, meinte: »Der Sex wird dieses Theater noch ruinieren.«

29 KEIN KONZEPT, ABER RESPEKT
KEIN KONZEPT, ABER RESPEKT
    29 »IGNAZ KIRCHNER WEIGERT SICH, sein Kostüm anzuziehen, bevor er nicht eine Konzeption von dir bekommen hat«, sagt die Assistentin, während sie aus den Tiefen der Felsenreitschule auf mich zu rennt.
    »Eine Konzeption?« Die Haare stehen mir zu Berge. »Zum Sommernachtstraum? Hier in Salzburg? Wir schreiben das Jahr 1996, da macht man keine Konzeptionsproben mehr. Also ich jedenfalls nicht. Was soll ich denen denn erzählen? Die sind doch alle doppelt so alt wie ich, wenn das mal hinkommt. Die haben doch alle fünf Sommernachtsträume hinter sich, mindestens. Sag dem Ignaz, es gibt keine Konzeption. Aus Respekt.«
    »Soll ich ihm das wirklich sagen?«, fragt die Assistentin. »Er ist gar nicht gut drauf.« Ihre Lippen vibrieren wie eine Kazoo-Membrane. Sie ist ein Mädchen mit blondem Bubi-Schopf und mit dem Schauspieler Hans-Michael Rehberg zusammen, hat also das Ohr am Puls des Ensembles. Sie ist quasi mein Agent hinter der Front.
    »Nein«, sage ich, »erzähl es ihm nicht.«
    »Aber was soll ich ihm denn sagen? Du weißt, es ist nicht irgendeiner, es ist Ignaz Kirchner.«
    »Lass dich doch einfach unten nicht blicken«, rate ich ihr. Der Vorschlag erleichtert sie.
     
    Ignaz Kirchner trinkt gerne Wein und zerknackt anschließend die Gläser. Mitunter isst er sie auch auf. Aber Ignaz ist nicht das einzige Genie hier bei den Salzburger Festspielen in der Felsenreitschule. Die Handwerker sind mit den Hochkarätern des deutschsprachigen Theaters besetzt. Michael Maertens als Peter Squenz, Ulrich Wildgruber als Mond, Ignaz Kirchner als Thisbe, Otto Sander als Zettel, Hans-Michael Rehberg als Wand, Peter Fitz als Löwe.
    Ich betrete die Felsenreitschule. Noch ist der Zuschauerraum leer. Die riesige Bühne wirkt unbezwingbar. Ein eisiger Wind pfeift hier ständig. Es ist zehn Uhr. Ein mörderischer Lärm setzt ein. Es sind die Kirchenglocken von Salzburg. Ich muss an den Hahn in Parchim denken. Und tatsächlich gibt es hier, wie ich später erfahre, einen Chefdramaturgen, der gegen die Glocken klagt.
    Nun also sind die Glocken die Begleitmusik für den Auftritt unserer Handwerker. Sie kommen mit ihren Kostümen, jeder einzelne nacheinander, und versammeln sich. Einer fehlt noch: Ignaz Kirchner als Thisbe. Bert Neumann, der Bühnen- und Kostümbildner, hat alle in die schwarzen Anzüge von Zimmermännern gesteckt, mit breitkrempigen Hüten und schwarzen Westen. Ignaz lässt sich Zeit. Aber nun kommt auch er, im dunklen Anzug, sogar mit Hut. »Na geht doch«, sage ich zur Assistentin.
    »Das sind seine Privatsachen«, flüstert sie.
    Ignaz holt Luft, ich komme ihm zuvor. »Ich darf alle in den Raucherraum zur Konzeptionsprobe bitten«, rufe ich.
    An einem langen Tisch sitzen sie nun und schauen mich interessiert an. Bis zu dem Moment weiß ich nicht, was ich sagen werde. »Du Uli«, sage ich zu Wildgruber, »bist blind und hast den Mond nie gesehen.« – »Und die Wand«, sage ich zu Rehberg, »ist Alkoholiker auf Entzug, kann nicht ruhig stehen und zittert.« – »Der Löwe ist Choleriker und hinter der Thisbe verbirgt sich ein orthodoxer Jude mit Putzzwang, dem zuvor niemals in den Sinn gekommen wäre, eine Frau zu spielen.«
    Kirchner stupst Sander unauffällig in die Seite und murmelt: »Leider gut.«
    »Und ich?«, fragt Michi Maertens. »Was spiele ich?«
    »Du spielst mich«, sage ich, »den Regisseur, der mit allem total überfordert ist.«
    Die anschließende Bühnenprobe wird für mich das Größte und Schönste, was ich je im Theater erlebt habe. Bis nach zwei Stunden Ignaz, der Spielverderber, an die Rampe tritt und sagt: »Jetzt muss das Ganze mal irgendeiner ordnen.«
    »Mittagspause«, rufe ich. Alle eilen in die warme Mittagssonne zum »Toscanini«. Nach zwanzig Minuten hat Uli den

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