Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
damit ist Barbaras Geschichte noch nicht zu Ende.
Es ist Nacht. Das Theater schweigt. Der Geruch von Schweiß und Schminke und Kotze, von Bier aus Flaschen und billigen Buletten zeugt von den Aktivitäten des Tages. Wie ein großer schwerer Tanker wiegt sich das Gebäude im Wind der Vergangenheit. Die letzten Zecher sind vom Pförtner vertrieben worden, der sich nun gegen zwei Uhr morgens zum Rundgang aufmacht.
Ein bisschen Schiss hat er, obwohl er das ja hier auch schon zwanzig Jahre macht. Er hat alle kommen und gehen sehen. Gute Zeiten, große Zeiten, schlechte Zeiten und ruhige Zeiten, doch die ruhigen sind ihm die liebsten gewesen. So schlurft er wie dereinst Willi Schwabe durch seine Rumpelkammer. Denn wenn sich die lärmende Geschäftigkeit des Theaters verabschiedet hat, legt sich eine besondere Stille, eine Stille, wie man sie auch in Kirchen findet, über das knarrende Schiff. Der alte Pförtner ist kein Poet, aber das hier ist seine blaue Stunde.
Doch heute hört er etwas. Eine Stimme. Ein Besoffener, denkt er, ein Liebespaar, ein Einbrecher, Letzteres lässt ihn schaudern. Die Stimme kommt aus dem Zuschauersaal. Der Pförtner öffnet leise die Tür zum Zuschauerraum. Es ist dunkel. Nur am Regiepult brennt die Klavierlampe, dort sitzt gestikulierend eine Frau. Es ist Barbara.
Barbara – und das ist eindeutig zu sehen – inszeniert. Sie geht in Abwesenheit des Regisseurs mit den Schauspielern das Ganze noch mal durch. Und zwar praktisch jeden Satz, jedes Wort – und sie ändert alles. Ihre bleichen Hände dirigieren irgendeinen aus der Tiefe ihres Kopfes kommenden Takt. Endlich kann sie frei atmen und diesen alten, verkommenen, regieführenden Schnapsnasen zeigen, was eine Harke ist. Pina Bausch, Peter Zadek und SIE , Barbara, ehemals Chefdramaturgin des Deutschen Nationaltheaters Weimar, in einem Atemzug.
Von einer Nachtprobe hat man mir gar nichts gesagt, denkt der Pförtner. Nachtproben bedürfen einer umfassenden Anmeldung und Genehmigung auch durch den FDGB . Er blickt zur Bühne. Kein Schauspieler zu sehen. Und doch gibt Barbara Regieanweisungen. Aber wem, fragt sich der Pförtner, begreift im selben Moment und ruft die Polizei.
Babara entschwebt noch in dieser Nacht, lächelnd und erleichtert, mit netten Männern in schwarzen Mänteln und Hüten, die sie sanft an einen Ort bringen, wo sie viele Kollegen trifft, die dort auf grünen Wiesen liegen, wohlig lächelnd im Sonnenschein.
28 DER HAHN IST GESPANNT
DER HAHN IST GESPANNT
28 BLEICH UND KAUM VERSTÄNDLICHES ZEUG nuschelnd betritt ein Mitarbeiter mein Büro in Bochum. In der Faust hält er eine silberne Automatik. Kaliber 45, schätze ich mal, und versuche einen Blick auf die Mündung des Laufes zu erhaschen, der glücklicherweise nach unten zeigt, denn der Hahn ist schon gespannt. Hat der Lauf eine Schweißnaht? Dann könnte es eine Schreckschusspistole sein. Hat er keine, dann ist der Lauf gedreht und es könnte sich um eine echte Waffe handeln. Denn wie gesagt: Mit Waffen kenne ich mich ganz gut aus.
Herein rauscht nun in einer Wolke von Moschus auch der Verwaltungsdirektor und mein Kointendant Alexander von Marawitsch, altes Rittergeschlecht. »Das finde ich aber gar nicht gut, jetzt also wirklich …«
Doch der Mitarbeiter, nennen wir ihn Müller, wirkt entschlossen. Er nuschelt etwas von einem unbegabten Studentenschwein, und dass dieser ihm nicht noch mal auf seine Bühne komme, weil es sonst Tote gäbe. Müller setzt sich. Er schwitzt. Er legt die Waffe so vor sich auf den Tisch, dass sie in greifbarer Nähe ist. Jetzt sehe ich es: Die Waffe ist echt und guter Rat teuer, denn es gibt keinen Grund an der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens zu zweifeln.
Ich, Intendant des Schauspielhauses Bochum, habe nun zwei Möglichkeiten. Die erste: Ich gebe meiner persönlichen Referentin Monika Seekts, die bereits unauffällig die Hand auf den Telefonhörer gelegt hat, einen Blick, und sie ruft den Polizeipräsidenten von Bochum an, mit dem ich vor Kurzem Brüderschaft getrunken und über die Schaffung einer drogenfreien Zone um das Schauspielhaus herum verhandelt habe. Also einer Zone, in der die Drogen freigegeben sind, was meine Idee war. Mit dem Ergebnis, dass eine Woche später die Drogenfahndung Lackmuspapier über die Toilettenbrillen im Theater zog, fündig wurde, aber dann mit der Erkenntnis, dass es Kokainkonsum an meinem Theater gab, auch nicht viel anzufangen wusste.
Ich verwerfe diese Möglichkeit, da ich mich nicht auf
Weitere Kostenlose Bücher