Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
muss. Man geht wieder auf den Ausgangspunkt, man probiert es noch mal – und siehe da, es ist die gleiche Scheiße wie vorher.
»Versuch es doch mal ohne Bäume.«
Ich drehe mich um. Wo kommt der Satz her? Ich suche im Zuschauerraum. Ganz hinten, ganz in Schwarz sitzt Peymann und tut so, als hätte er es nicht gesagt. Er hat ein Glas Whisky in der Hand und nimmt einen Schluck. Er nickt mir zu.
»Zieh doch mal die Bäume kurz hoch«, sage ich zu Bernhard Kleber, dem Bühnenbildner.
»Könnt ihr mal die Bäume kurz hochziehen?«, ruft er zur Bühne hin.
Die Bäume schweben hoch. Die Schauspieler sind wieder zu sehen. Und können frei atmen, das tut der Sache gut. »Die Bäume kann ich gut für das Weihnachtsmärchen in Bochum gebrauchen«, beruhige ich den Burgtheaterdirektor. Der trinkt stumm seinen Whisky.
Die Bäume stehen noch immer da, irgendwo in einem Speicher in Wien und warten auf ihr Weihnachtsmärchen.
Zehn Jahre später. Ich sitze im Hotelzimmer auf der Friedrichstraße, haue mir eine Valium nach der anderen rein und kann mich trotzdem nicht beruhigen. Sylvia Rieger, Schauspielerin an der Volksbühne und gute Freundin, ist kurz hier gewesen, hat mich getröstet und versucht zu überreden, doch noch ins Berliner Ensemble zu kommen, wo gleich meine Inszenierung von »Der Sturm« Premiere haben wird. Ein Desaster, ein Weltuntergang, ich werde danach für lange Zeit kein Theater mehr machen.
Scheiß-»Sturm« von Shakespeare. Ich wollte das Stück endlich knacken. Dieses elende, immer an die Wand gefahrene Stück. Eine Abenteuergeschichte, die auf einer Insel spielt, auf der ein Zauberer herrscht: über seine Tochter, über ein Ungeheuer, über die Mächte der Natur. Eigentlich eine einfache, teilweise lustige Geschichte über ein Schiff, das untergeht, über seine Mannschaft, die sich auf der Insel verläuft, mit einem Geist, mit Trinkern und lustigen Gesellen.
Ich wollte es einfach machen und leichtnehmen. Es sollte ordentlich zischen und brennen, die Bühne sollte sich drehen und Ariel fliegen, und zwar wie noch nie ein Ariel zuvor geflogen ist, bei Peter Brook nicht und auch nicht bei Giorgio Strehler. Die, die dann an einem Gummiseil über die Bühne geschnippt wurde, war meine arme alte Freundin Steffi. Ein Schiff sollte untergehen, wie noch nie ein Schiff untergegangen war. Der Hauptvorhang sollte zum Segel werden, und der Bug des Schiffes sollte sich nach vorne schieben und der Zuschauerraum zu einer einzigen tosenden See werden – also eine Seemannskatastrophe, wie sie im Buche steht. Und es wurde eine Katastrophe!
Das Schiff war eine Metallkonstruktion, die nicht zu bewältigen war, die Idee von Unterwasserszenen mittels Fischprojektion auf Glaswände scheiterte an der Ausführung, die arme Steffi flog nicht, sondern eierte über die Bühne und bekam Rückenprobleme wegen des Gummiseils, die Videoprojektionen, für die extra ein Spezialist aus der freien Szene eingestellt worden war, ruckelten, nichts bewegte sich. Dieses Stück ließ sich einfach nicht bewegen. Es war wie eine Herde Nilpferde, die man versucht, Richtung Tor zu schieben. Man schiebt und schiebt, und wenn man einen Millimeter geschafft hat, rastet man aus vor Glück, ohne zu merken, dass man nichts geschafft hat. Denn das Ergebnis rechtfertigt bei Weitem nicht die schweißtreibende, sich und andere zerstörende Arbeit.
Aber das eigentliche Problem waren mein Vater und ich. Nach einer langen Zeit gemeinsamer Arbeit in Bochum und Berlin, die zwar schwierig, aber doch am Ende beglückend war, schien jetzt alles zusammenzubrechen, was das Verhältnis zwischen mir und meinem Vater ausmachte. Es war plötzlich wie eine Familienaufstellung auf offener Bühne. Der Scheitervogel mit seinen starken Schwingen machte sich bereit zum Anflug. Und dann kam es: das graue Rauschen.
»Du übertreibst«, sagt Jutta Ferbers, Dramaturgin am BE . »Da waren sehr schöne, großartige Bilder drin.«
»Dein Vater konnte sich den Text nicht merken«, sagt Peymann. »Aber die Inszenierung war sehr schön. Auch dein Vater war gut, aber er konnte eben den Text nicht.«
»Was mich sehr wundert«, sage ich, »weil er doch ein Meister im Textbehalten war.« Ich denke, vielleicht hatte er da schon den Tumor, sage es aber nicht, weil ich fürchte, man könnte denken, ich wolle ihn posthum entschuldigen. Tatsache aber ist, dass mein Vater merkwürdig wurde und schwer depressiv. Da saß er vorne an der Rampe vor dem roten Vorhang, den er sich um
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