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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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die Schulter gelegt hatte und rang nach Worten.
    »Du bist zu hart mit dieser Inszenierung«, sagt Peymann.
    »Ich weiß nicht, aber da war etwas damals, das war schwarz und dunkel, wir haben es nicht gedeutet, aber es war da.«
    »Elektra«, sagt Peymann und meint meine Hofmannsthal-Inszenierung, auf der er bei jeder Gelegenheit rumhackt, »die war ein Problem.«
    »Castorf mochte sie sehr«, sage ich eingeschnappt.
    »Aber den ›Sommernachtstraum‹ fand er scheiße.«
    Da hat Peymann recht. Du willst och immer nur jeliebt werden, hat Castorf zu mir gesagt, damals in der Kantine.
    Wie dem auch sei. Jedenfalls waren wir nach dem »Sturm« alle böse aufeinander, und haben acht Jahre nicht miteinander gesprochen. Der letzte Dialog zwischen mir und dem Intendanten des Berliner Ensembles verlief damals in etwa so:
    Peymann (aus dem dunklen Zuschauerraum brüllend): »Hau bloß ab, du feige Sau!«
    Haußmann (über die Bühne zum Bühnenausgang eilend): »Leck mich am Arsch, du blöder Idiot.«
    Peymann (von unten an die Rampe eilend): »Mit Gülle hast du das Theater übergossen!«
    Er wiederholte die Wörter »übergossen« und »Gülle«.
    Dabei hat Peymann mal auf meiner Geburtstagsfeier im Müggelsee nackt gebadet. Und bei einem anderen Besuch wären wir fast miteinander gekentert. Ich wollte ihn auf der anderen Seite des Sees absetzen, aber wir kamen nur einige Meter weit, ein anderes Boot zog uns dann an den Strand und Jutta holte ihn ab.
     
    »Was machen wir denn jetzt?« Peymann tigert nach dem ersten Durchlauf vom »Sturm« durch den Wandelgang des Berliner Ensembles. Ich sitze auf einem der Garderobentische und müsste, so wie ich mich fühle, kreidebleich sein. Ich werfe einen Blick in einen der großen Spiegel, an denen morgen Abend die High Society der Theaterszene vorbeirauschen und prüfen wird, wie geil sie aussieht. Und tatsächlich, dort sitze nicht ich selbst, sondern ein Geist, ein bleicher, gescheiterter, armer alter Mann. Ich muss an Henri Wiese denken, von dem ich gehört habe, er würde inzwischen mit den anderen Cracksüchtigen am Bahnhof in Frankfurt am Main die Müllkästen durchsuchen.
     
    Glücklich sieht mein Vater nicht aus mit der Pappkrone und den Dreadlocks in seinen kurz geschorenen Haaren. Wir setzen zu einem zweiten Durchlauf an, den wir wahrscheinlich nicht ganz schaffen werden, weil Bob im Haus ist und auf die Bühne will.
    Schon seit Tagen kündigt sich Bobs Erscheinen an. Von ihm bemalte Bühnenwände werden wie Monstranzen über den Hof des Berliner Ensembles getragen. Es sind ja nicht nur Kulissen wie bei mir, sondern eben auch Kunstwerke. Wenn Robert Wilson irgendwo eine Inszenierung vorbereitet, dann sollte jedenfalls niemand vor ihm eine Inszenierung machen.
    Nebenbei bemerkt ist Robert Wilson ein außerordentlich angenehmer Mensch, der mir immer mit großer Geste begegnet und von dem ich ein Autogramm besitze, an dem er eine Stunde gemalt hat. Ich sage das nur, um klarzumachen, dass es im Theater, wenn es um Bühnenproben geht, keine Freunde mehr gibt.
    Ich habe komischerweise das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Dazu möchte ich anführen, dass ich zu wenig Bühnenproben hatte. Das mag im Nachhinein wie eine schwache Entschuldigung klingen und das ist es auch. Vielleicht weil ich nicht zugeben will, dass Peymann mir damals geraten hatte, die zwanzig schwarz gekleideten Tänzer, die Steffi als Ariel über die Bühne trugen, doch wegzulassen und mich mehr auf den Inhalt des Stückes als auf den Untergang des Schiffes, Fischprojektionen und andere exzentrische technische Einfälle zu konzentrieren. Es kann sein, dass er da recht hatte.
    Aber es waren zu wenig Bühnenproben!
     
    Mit bleiernen Schritten gehe ich auf das leuchtende, sich drehende, runde Zeichen zu, das Bertolt Brecht einst auf das Dach des Berliner Ensembles hat schrauben lassen.
    Schon auf der Weidendammer Brücke kann ich es hören, das bedrohliche Gemurmel. Als trüge der Wind es zu mir, als könne die Katastrophe es nicht erwarten, mich zu umfangen. Wie Küchengeruch, nur eben als Geräusch, dringt es durch die Ritzen im Mauerwerk des Theaters zu mir. Menschen eilen an mir vorbei, von anderen Sorgen getrieben oder auch nicht, Liebespaare, Trinker, Penner, Punks. Alles wäre ich jetzt gerne, nur nicht ich selbst.
    »Haste mal ’n Euro?«, ruft mir einer zu, doch ich höre ihn nicht.
    »Buh, Alter«, ruft er mir nach.

36 SONNTAGSAUSFLUG
SONNTAGSAUSFLUG
    36 MEIN VATER TRÄGT SEINEN WEISSEN ANZUG und den

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